nbewegtheit Es
war ihre Ruhe, die bewirkte, daß ich mich fasziniert vorbeugte, als ich die
Axolotl das erste Mal sah. Dunkel war mir, als verstünde
ich ihren geheimen Willen, Raum und Zeit durch gleichgültige Unbeweglichkeit
aufzuheben. Später wußte ich es besser; das Zusammenziehen der Kiemen, das Tasten
der feinen Füße an den Steinen entlang, das unvermittelte Schwimmen (einige
von ihnen schwimmen, indem sie sich bloß wellenförmig bewegen) bewies mir, daß
sie fähig waren, diesem tiefen mineralischen Schlaf
zu entrinnen, in dem sie ganze Stunden zubrachten. Ihre Augen vor allem schlugen
mich in Bann. Neben ihnen, in den übrigen Aquarien, wiesen mir verschiedene
Fische die lautere Dummheit ihrer schönen Augen vor, die den unseren ähneln.
Die Augen der Axolotl kündeten mir von der Gegenwart eines andersgearteten Lebens,
von einer anderen Sehweise. Indem ich mein Gesicht an das Glas preßte (manchmal
hustete, beunruhigt, der Aufseher), versuchte ich die winzigen goldenen Punkte
besser zu sehen, jenen Eingang in die grenzenlos langsame und entlegene Welt
der rosafarbenen Geschöpfe. Es war zwecklos, mit dem Finger an das Glas vor
ihren Gesichtern zu klopfen; man bemerkte nie die geringste Reaktion. Die Goldaugen
glühten weiterhin in ihrem sanften, schrecklichen Licht; unablässig schauten
sie mich aus einer unergründlichen Tiefe an, die mich schwindeln machte. - Julio
Cortazar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt am Main
1998
Unbewegtheit (2) Besonders in den heißen Monaten bemerkte er, daß nicht nur Menschen und Kraftfahrzeuge, sondern auch die Dinge in seiner Umgebung ihm nur selten unbewegt erschienen, obwohl sie ihrem natürlichen Zustand nach unbewegt hatten sein müssen.
Die Dinge erschienen nur scharf umrissen und unbewegt,
wenn den Winden ab und zu ein Durchbruch gelang und sie die Luft reinfegten.
Viel häufiger aber taumelten sie und hatten einen
unsicheren Stand, weil kleine schimmernde Lichtschleier ihre Umrisse verwischten
und ihn daran hinderten, ihre Unbewegtheit zu sehen. Er behielt beispielsweise
eine alte Leitplanke auf der Straßenseite gegenüber von seiner Bar im Auge und
sah sie immer mit torkelnden Umrissen. - Gianni Celati, Der wahre Schein. Berlin o. J. (zuerst 1987)
Unbewegtheit (3)
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