nbestimmtheit  Irreführend ist die Behauptung, die Unbestimmtheit entstamme der Störung des Zustands durch den Meßprozeß. -  Carl Friedrich von Weizsäcker, nach Geo 1 / 1999

 Unbestimmtheit (2)  Das Haus sieht völlig verlassen aus. Im ersten Stock ist jedoch ein Fenster nicht mit Brettern vernagelt, und manchmal in den späten Nachmittagsstunden, wenn die Hitze am schlimmsten ist, kommt es vor, daß eine Hand langsam die Läden öffnet und ein Gesicht auf die Stadt niederblickt. Es ist ein Gesicht, wie es einem in Träumen begegnet, von schrecklicher Unbestimmtheit, bleich und geschlechtslos, mit grauen, schielenden Augen, die beide so stechend einwärts gerichtet sind, als tauschten sie untereinander einen langen Blick verschwiegenen Grams aus. Das Gesicht bleibt etwa eine Stunde am Fenster, dann werden die Läden wieder geschlossen..- (bal)

Unbestimmtheit (3)   Meine Tanten, diese zahlreichen angehängten, angeflickten, doch aufrichtig liebenden Viertelmütter, bemühten sich schon seit langem auf mich einzuwirken, daß ich mich als jemand stabilisieren solle, also etwa als Advokat oder als Bürobeamter - meine Unbestimmtheit war ihnen ungewöhnlich peinlich, und da sie nicht wußten, was ich nun sei, wußten sie nicht, wie sie mit mir reden sollten, und so mümmelten sie höchstens nur.

»Joziu«, sagten sie zwischen dem einen und dem anderen Gemümmel, »es ist höchste Zeit, liebes Kind. Was werden die Leute sagen? Wenn du nicht Arzt werden willst, sei wenigstens ein Weiberhengst oder ein Pferdejockei, aber daß man's wenigstens weiß ... daß man's nur weiß ...«

Und ich hörte, wie eine der anderen zuflüsterte, ich sei gesellschaftlich und im Leben unerfahren, wonach sie wieder zu mummeln begannen, von der Leerheit gequält, die ich in ihren Köpfen verursachte.  - (fer)

Unbestimmtheit (4)   Robert verläuft sich in diesem Park; er begegnet den Schloßbesitzern: gerne würde er ihrer freundlichen Einladung Folge leisten, aber man erwartet ihn anderswo; in Wahrheit erwartet ihn niemand. Er ist erstaunt, seinen Vater unter den Einwohnern von Chartres zu treffen.

Robert heißt eher Hippolyt. Er wäre nach der letzten Mode gekleidet gewesen, wenn es eine letzte Mode gegeben hätte, aber es gibt keine letzte Mode; er war also gekleidet wie alle Welt, das heißt schlecht. Robert wäre imstande gewesen, achthundert Kilometer im Auto zurückzulegen, um dem Freund seiner Freunde zu sagen: »Ich soll Ihnen freundliche Grüße ausrichten von Herrn Soundso.« Denn Robert war ein guter Mensch, aber er hatte keinen Freund. Robert ließ sich am Tisch nieder und aß, wie er schon lange nicht mehr gegessen hatte, das heißt, er aß wenig, denn sonst aß er viel. Habe ich gesagt, daß er gut aß? Nun, in der Regel aß er schlecht, aber das war ihm gleichgültig. Robert tat nichts, um keine Zeit mit Arbeiten zu verlieren; vielleicht verlor er sie auf andere Weise. Wenn er eine Aufgabe gehabt hätte, hatte er sie nicht erfüllen können; also nahm er keine auf sich. Robert tat nichts, was immer noch besser ist, als etwas schlecht zu tun, und dies hinderte ihn nicht, Schlechtes zu tun. Aber lassen wir Robert in Chartres.  - Max Jacob, Der Würfelbecher. Frankfurt am Main 1968 (zuerst 1917/23)

 

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