nbekümmertheit   Er bekam in der Schule vor den Juden und dem Hubshi eine Tracht Prügel für das verruchte Verbrechen, zu Hause falsche Berichte über seine Fortschritte abgestattet zu haben. Er bekam zu Hause aus demselben Grunde eine Tracht Prügel von Tante Rosa, dann brachte sie das Plakat "Lügner" zum Vorschein, nagelte es ihm zwischen die Schultern und befahl ihm, damit einen Spaziergang zu machen.

Das schwarze Schaf sagte sehr ruhig: »Wenn du mich dazu zwingst, werde ich dieses Haus anzünden und vielleicht werde ich dich töten. Ich weiß nicht, ob ich dich töten kann, denn du bestehst nur aus Knochen, aber ich werde es versuchen.«

Auf diese Blasphemie folgte keine Bestrafung, dennoch hielt sich das schwarze Schaf bereit, seinen Weg bis zu Tante Rosas vertrockneter Kehle zu finden und sie zu umklammern, bis es mit Schlägen vertrieben würde. Vielleicht auch fürchtete sich Tante Rosa, denn das schwarze Schaf, auf dem Nadir der Sünde angelangt, trug eine ganz neue Unbekümmertheit zur Schau. - Rudyard Kipling: Bäh, bäh, schwarzes Schaf!, nach (ki)

Unbekümmertheit (2)  

Das All kennt keine Liebe; es schreitet über alles hinweg, als wäre es nichts.

Auch der Weyse kennt keine Liebe, wie Menschen sie kennen; natürliche Bande verpflichten ihn nicht. (Denn mehr als Liebe ist, was im All und im Weysen wirkt.)

Wie des Schmiedes Blasebalg, in sich leer, doch höchste Glut  und edelstes Schaffen ermöglicht, wenn er im Innern bewegt wird, so wirkt aus dem Nichts schöpferisch das All; so wirkt der schweigende Mensch, der ledigen Gemüts ist.

Wer aber nicht schweigen kann, der erschöpft sich.   - Tao te king

Unbekümmertheit (3) Begegnest du jemandem, der ganz unbekümmert um das lebt, was die Umwelt zu seinen Worten und Handlungen sich denken könnte, so hast du entweder einen bewußten Selbstmörder vor dir oder einen, um den es zumindest schade ist. Meide ihn wie die Pest, wenn du nicht zugrunde gehen willst.   - (ser)

Unbekümmertheit (4)  Hilda - groß und blond, mit langem Kinn und munteren blauen Augen - war ihrem Vater sehr ähnlich, nehme ich an, auch wenn ich nie bemerkt habe, daß sie ihm besondere Achtung gezollt hatte.

Sie hatte etwas, das man zuweilen bei wilden Tieren antrifft, eine atemlose Unrast, einen schier törichten Widerwillen, zur Sache zu kommen. Sie kicherte und zuckte die Achseln wie ein kleines Mädchen, was bei einem so großen und eckigen Ding irgendwie absurd wirkte. Ich fand sie faszinierend, aber nicht wegen ihrer Schönheit, die, wenn auch für meinen Geschmack recht bizarr, zweifellos vorhanden war, sondern wegen ihrer provozierenden Gleichgültigkeit gegenüber Regeln und Ordnung; das gefiel mir. Sie kleidete sich gleichgültig, nahezu nachlässig, und wirkte auf einen jungen Mann, wenn sie lächelte, nicht einladend - daran mangelte es ihr vollständig-, sondern irritierend. Ezra war wundervoll in sie verliebt und stellte, wie ich fand, ihre Schönheit lächerlich übertrieben dar. Für mich war sie bloß ein guter Kumpel, und auf eine gewisse beunruhigende Weise gefiel es mir, mit ihr zusammen zu sein. Denn manchmal besuchte ich sie allein im Observatorium und blieb sogar über Nacht -was mich einmal sehr in Verlegenheit brachte. Eines Abends ging ich mit Hilda zu einer Probevorstellung des Mask and Wig Clubs mit anschließendem Tanz und handelte mir damit böse Blicke von Ezra ein.

»Um Gottes willen«, sagte ich zu ihm, »ich bin nicht in Hilda verliebt, und sie nicht in mich. Sie ist dein Mädchen, das weiß ich. Sei kein Esel.«

Einmal, es dürfte im April gewesen sein, ging ich mit Hilda allein in dieser damals wirklich lyrischen Landschaff von Upper Darby spazieren. Besonders deutlich erinnere ich mich an die tiefblauen Traubenhyazinthen in einem Graben am Wegrand, eine Pflanze, die mir vollkommen unbekannt war. Hilda erzählte mir von ihrem Griechischstudium, und sie habe gehört, daß auch ich Gedichte schreiben würde. Das tat mir weh. Ich wollte nicht darüber reden, da ich in meinen Augen eigentlich noch gar nichts geschrieben hatte. Ezra war natürlich der Held.

Na ja, fügte sie hinzu, vermutlich, um mir die Zunge zu lösen, ich habe auch ein wenig geschrieben. Ein paar Übersetzungen, sagte sie -um Tadel auszuweichen. Wir wanderten weiter. Ihr Rock schleifte hinten nach, sie hatte keine Hüften, kein gar nichts, war einfach Hilda; durch hohes Gras, über Zäune, Stacheldraht (ich erinnere mich, wie Edmonson mir einmal nach einer Gruppenwanderung erzählte, gelegentlich müsse ein Mann einfach mal hinsehen! so unbekümmert war sie). - (wcwa)

Unbekümmertheit (5)

Unbekümmertheit (6)   Baron d'Alcozer zeigte auf das Buch, das Laurana zugeklappt hatte, und sagte; «Wenn man diese Briefe von Voltaire liest, denkt man an unser Sprichwort, in dem es heißt, in gewissen Augenblicken, unter gewissen Umständen kümmere sich ein gewisser Körperteil nicht mehr um verwandt oder nicht verwandt», und er erklärte den anderen, daß Voltaire diese Briefe an seine Nichte geschrieben hatte. Exzellenz Lumia zitierte das Sprichwort wörtlich, und der Baron fügte hinzu, Voltaire gebrauche denselben Ausdruck wie das Sprichwort für die Umstände, unter denen Verwandtschaft nichts mehr gelte, und zwar gebrauche er ihn auf italienisch. Und er bat Laurana um das Buch, um den Freunden die Briefe vorzulesen, in denen dieser Ausdruck vorkam. - Leonardo Sciascia, Tote auf Bestellung (mit zwei weiteren Mafiaromanen). Zürich 1983
 
 

Désinvolture Leichtigkeit Kummer

 

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