nbehagen
Noch eine Weile, nachdem Hyde ihn verlassen hatte, stand der Anwalt
da, ein Bild des Unbehagens. Dann ging er langsam die Straße hinauf, blieb
nach einigen Schritten immer wieder stehen und legte wie in völliger Verwirrung
die Hand an die Stirn. Das Rätsel, dem er so im Gehen nachspürte, war eins
von der Art, wie sie selten gelöst werden. Hyde war bleich und zwergenhaft.
Er machte den Eindruck eines Verwachsenen, ohne daß man eine Mißbildung
hätte bemerken können. Er trug ein unangenehmes Lächeln zur Schau. Dem
Anwalt gegenüber war er mit einer mörderischen Mischung von Furcht und
Unverschämtheit aufgetreten. Er sprach mit einer rauhen, flüsternden, wie
gebrochen wirkenden Stimme — alles das waren Punkte, die gegen ihn aussagten,
aber alle zusammen konnten den bis dahin nie gekannten Abscheu, den Ekel
und die Furcht nicht erklären, mit denen Utterson ihn betrachtet hatte.
Es muß noch etwas anderes sein, überlegte sich der verwirrte Anwalt. Es
ist noch etwas mehr. Wenn ich nur einen Ausdruck dafür fände. Gott helfe
mir, der Mann hat kaum etwas Menschliches an sich. Soll man sagen: etwas
von einem Troglodyten? Oder kann es die alte Geschichte des Doktor Fell*
sein? Oder ist es nur die Ausstrahlung einer gemeinen Seele,
die so hindurchschimmert und ihre irdische Hülle verwandelt? Das, nehme
ich an, wird es sein. Oh, mein armer alter Harry Jekyll, wenn ich jemals
Satans Zeichen auf einem Antlitz gelesen habe, dann auf dem deines
neuen Freundes. - Robert Louis Stevenson, Dr. Jekyll und Mr. Hyde
* In Anlehnung an Martial verfaßte ein Student des Bischofs von Oxford, Dr. John Fell (1625—1686), den Vers: I do not love thee, Dr. Fell. The reason why I cannot tell. Seitdem sprichwörtlich für einen ohne rechten Grund unbeliebten Menschen (Anmerkung des Ubersetzers).
Unbehagen (2)
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