Uhr, tickende   Das gleißende Lidit über einer Wolkenbank blendet mich wie es mich im Krankenzimmer geblendet hat, als ich hinter Gittern stand und mich hin und her bewegt habe, so daß ich schließlich meinte, daß sich die Krankenschwester vorm Fenster wie ein Perpendikel hin und her bewegt, in mir eine riesige Uhr erzeugend, die ich nie loskriegen soll. Immer die Zeit vor dem grellen Fenster verwarten. Draußen wird wahrscheinlich alles weiß sein, die Straße zum Ochsenkopf, die Weißtanne im Krankenhausgarten, der Sound of Raasay und das von Eisbergen durchsetzte Inselgewirr aus England- und Grönlandsplittern, und nie werde ich also eine Grönländerin an einen Felsen lehnen und mich zu Tode ficken. Noch einmal möchte ich so besoffen sein wie von dem Crawford's Whisky auf der alten Firth-of-Forth-Brücke, weil ich mich weigerte, daß etwas vorbei war, was ich gar nicht begriffen habe. In Inverness schlug ich mich, nachdem ich Cheeps und Haggis gegessen hatte, durch viele geparkte Autos in einen Gang zwischen zwei dreckigen Häusern und machte verdeckt an einer Regentraufe Pipi, was mir als einziges wohltut. Aber die Uhr tickt, das Kind wippt und die Vergangenheit drückt wie verrückt und ich denke ans Ficken als einziges Entzücken. Ich denke an meine Frau: sie ist nackt auf ihrem Zimmer, das Bett zurückgeschlagen, denn es ist heiß, weil es Juli ist und in der Ferne ein Gewitter jault. Das Haus ist voller nackter Metzger, Lehrbuben mit zusammen dreißig Barthaaren aber jeder mit einem Glied, das dicker wird. Schwarze Glieder heben lautlos den Kopf in der Nacht in die Höhe. Wie finstere Wolken stehen sie in das Land, aber sie tun meiner Frau nichts. Nur ich tu ihr etwas. Als ich sie zum ersten Mal ein Arschloch nannte und sie mir zum ersten Mal eine Ohrfeige gab, war eigentlich schon alles vorbei.   - Herbert Achternbusch, Die Stunde des Todes. Frankfurt am Main 1975
 

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