Üeberzieher  Da passiert es plötzlich eines Morgens früh, daß ein Kerl namens Daffke-Jack hergeht und Kanone ein Messer zwischen die Rippen sticht. Dahinter steckt scheints ein gewisser Homer Swing, der bei Kanone dicke Spielschulden hat und der mächtig einschnappt, als Kanone leise bei ihm auf Zahlung drängt. Daffke-Jack, der sonst als unfehlbarer Künstler in seinem Fach gilt, zielt zwar auf Kanone sein Herz, trifft diesmal aber ein paar Zentimeter daneben und läßt Kanone mit einer üblen Stichwunde in der Seite liegen, bei der es ohne allerhand Nadeln nicht abgehen wird.

Der Lange Nig, ein bekannter Spieler, und ich stehen so um zwei Uhr morgens an der Ecke Zweiundfünfzigste Straße und Siebte Avenue und klöhnen über belanglose Dinge, als Kanone plötzlich aus der Zweiundfünfzigsten Straße rantaumelt und dem Langen Nig in die Arme sinkt, wobei er mit all dem Blut, das aus seiner Wunde strömt, prompt einen funkelnagelneuen Überzieher total ruiniert, für den Nig grade vor ein paar Tagen erst sechzig Dollar bezahlt. Natürlich ist der Lange Nig sehr ungehalten darüber, aber wir sehen ein, daß es in diesem Augenblick nicht angebracht ist, Kanone deswegen Vorhaltungen zu machen. Wir stellen sofort fest, daß man Kanone ganz hübsch zersäbelt hat und daß er ganz übel dran ist.

Natürlich sind wir durchaus nicht überrascht, Kanone so zugerichtet zu sehn, denn seit Jahren gibt man praktisch schon keinen Cent mehr für sein Leben hier in New York, weil alle möglichen Kerls nur darauf lauern, ihm irgendwas antun zu können, aber natürlich erwarten wir keineswegs, ihn hier tranchiert zu sehn wie eine Martinsgans.  - Damon Runyon: Schwere Jungen, leichte Mädchen. Reinbek b. Hamburg 1961 (rororo 197)

Überzieher (2)  Die Fettschicht des Wals wird ihm in langen Riemen, sogenannten Bahnen, vom Leib gerissen. Wie die meisten Fachausdrücke zur See, hat auch dieser seinen guten Sinn, ist doch der Wal in seinen Speck wirklich wie in eine Decke eingewickelt, man könnte auch sagen, in einen bis zur Schwanzwurzel reichenden Poncho nach Art der Indianer. Dank dieser behaglichen Hülle vermag der Wal jahraus, jahrein den Unbilden der Witterung und der See zu trotzen. Wie erginge es wohl einem Grönlandwal in den schauderhaften Gewässern des Nördlichen Eismeers, um nur dieses zu nennen, wenn er nicht in seinem molligen Überzieher steckte? Zwar tummeln sich auch andere Fische äußerst munter in jenen eisigen Gewässern; aber bei diesen handelt es sich, wohlbemerkt, um Kaltblütler mit Kiemenatmung, deren Leib einem Kühlschrank gleicht, um Lebewesen, die sich unter Lee eines Eisbergs erwärmen wie ein Reisender im Winter am Kaminfeuer einer Herberge; der Wal hingegen, ganz wie der Mensch, zeichnet sich durch warmes Blut und Lungenatmung aus und müßte somit ebenfalls erfrieren. Es ist daher ein wahres Wunder, das man sich erst einmal klarmachen muß, daß dieses warmblütige Ungetüm, bis über beide Ohren unter Wasser, im Eismeer zu Hause ist, wo über Bord gegangene Seeleute manchmal nach Monaten aufrecht, mitten in Eisfelder eingefroren, gefunden werden wie in Bernstein eingeschlossene Mücken. Noch erstaunlicher ist freilich, daß das Blut eines solchen Nordkapers nachgewiesenermaßen wärmer ist als das eines Eingeborenen von Borneo im Hochsommer.

Mich will bedünken, daß sich hier nichts anderes zeigt als der ungemeine Vorzug einer großen Lebenskraft des Einzelwesens, der ungemeine Vorzug dicker Mauern und der ungemeine Vorzug eines geräumigen Innenlebens. O Mensch, nimm dir den bewundernswerten Wal zum Vorbild!  - (mob)

Überzieher (3)  Man kommt mitten in der Kältewelle von der Arbeit, auf der geschlossenen Plattform des Busses fühlt man sich fast wohl und betrachtet sich in diesem Schweigen, das das ungeschriebene Gesetz von Paris ist, die leeren Gesichter. Ich weiß nicht, wo der Mann mit dem schwarzen Überzieher und dem ebenfalls schwarzen Hut eingestiegen ist, auf einmal war er unter uns, wie wir hat er dem Schaffner in seinem Gehäuse die Tickets reichen und zwischen den anderen auf der Plattform stehen bleiben müssen, auf den Boden blickend, sich die Augen an anderen Überziehern, an anderen Handschuhen und Zeitungen und Damenhandtaschen reibend. Schon beim Überqueren der Pont d'Alma, vor der ersten Haltestelle der Avenue Bosquet, bemerkten ihn einige und wichen vor ihm zurück, zwischen andere Fahrgäste, die ihn noch nicht bemerkt hatten, eine schützende Distanz suchend. Viele stiegen an der Haltestelle der École Militaire aus; es begann der letzte Teil der Strecke, und der Bus war warm von schlechter Luft, von schlaffen Körpern unter unzähligen Westen und Schals. Irgendwann wurde ich mir der Angst bewußt, die sich dieser Plattform nach und nach bemächtigt hatte, wo keiner auf die Idee gekommen wäre, daß er einmal Angst bekommen würde. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll; es war eine Aura, eine Ausstrahlung des Bösen, die Gegenwart von etwas Greulichem. Der Mann im schwarzen Überzieher mit dem hochgeschlagenen Kragen, der ihm Mund und Nase verdeckte, und der Krempe des Hutes über den Augen, wußte oder wollte, daß es so sei; nicht ein einziges Mal sah er jemanden an, und das war noch schlimmer.  - (cort)

Überzieher (4)  
 

Mantel

 

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