ypus  Die drei Damen oben nannten sich Fernande, Raphaèle und Rosa das Aas.

Da das Personal begrenzt war, hatte man versucht, eine jede gleichsam zum Muster, zum Inbegriff eines weiblichen Typus zu machen, damit jeder Kunde wenigstens annähernd die Verwirklichung seines Ideals fände.

Fernande stellte die schöne Blondine dar, ziemlich groß, fast fett, weichfleischig, ein Mädchen vom Land mit Sommersprossen, die einfach nicht verschwinden wollten, mit gestutzten strohblonden Haaren, hell und farblos wie gestrählter Hanf, die spärlich den Schädel bedeckten.

Raphaèle, eine Marseiller Hafennutte, spielte die unerläßliche Rolle der schönen Jüdin, mager, mit vorspringenden Backenknochen, darauf eine dicke Schicht Rouge. Ihre schwarzen Haare, mittels Rindermark auf Glanz gebracht, formten Schmachtlocken an den Schläfen. Ihre Augen hätte man schön genannt, wäre das rechte von einem weißen Fleck in der Hornhaut nicht entstellt gewesen. Ihre gebogene Nase senkte sich über das vorgeschobene Gebiß, darin zwei neue Oberzähne von den unteren abstachen, die mit den Jahren gedunkelt waren wie altes Holz.

Rosa das Aas, eine kleine Fleischkugel, lauter Bauch auf winzigen Beinen, krähte von morgens bis abends abwechselnd schlüpfrige oder schmalzige Couplets, erzählte endlose, nichtssagende Geschichten, hörte nur auf zu reden, um zu essen, und zu essen, um zu reden, war in ständiger Bewegung, geschmeidig wie ein Eichkätzchen trotz ihres Fetts und der Kürze ihrer Pfoten; und ihr Lachen, eine Kaskade schriller Juchzer, gellte alle Augenblicke durchs Haus, bald hier, bald dort, aus einem Zimmer, unterm Dach, aus der Kneipe, überall und um nichts.

Die zwei Frauen von unten, Louise, die »Nudel« mit Spitznamen, und Flora, die »Schaukel« genannt, weil sie ein bißchen hinkte, die erste immer als Freiheit mit Trikolorenschärpe, die andere als Phantasiespanierin mit Kupfermünzen im karottenroten Haar, die bei jedem ihrer unegalen Schritte klimperten, sahen aus wie Küchenmägde, die sich zum Karneval herausgeputzt haben. Allen Frauen aus dem Volke gleich, nicht häßlicher, nicht schöner, richtige Schankmädchen eben, hießen sie im Hafen nur die zwei Pumpen. - (nov)

Typus (2) Über die Typen der Henker; es melden sich vor allem Pferdeschlächter zu dem Beruf. Diejenigen, die noch mit dem Beil köpfen, haben den Guillotinisten gegenüber einen gewissen Künstlerstolz, das Bewußtsein der Hand- und Maßarbeit.

Bei der ersten Hinrichtung unter Kniébolo: der Henker, der zum Köpfen den Frack ausgezogen hatte, meldete sich in Hemdsärmeln, den Zylinder schief auf dem Kopfe, in der linken Hand das bluttriefende Beil, die Rechte zum »Deutschen Gruß« erhoben: »Hinrichtung ausgeführt.«

Die Hirnanatomen, die den Schädel und seinen Inhalt möglichst frisch fixieren wollen, lauern auf den Hieb wie die Aasgeier. Einmal, vor der Hinrichtung eines Mannes, der sich in seiner Zelle aufgeknüpft hatte, doch lebend abgeschnitten worden war, sah man sie in Scharen am Fuße des Schafotts. Es wird behauptet, daß sich gerade nach dieser Art des Selbstmordversuchs im späteren Leben eine besondere Geisteskrankheit einstelle und diese Disposition sich schon frühzeitig in Veränderungen des Gehirns andeute. - Ernst Jünger, Strahlungen (20. März 1943)

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