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Trennung (2) »Was wirst du machen, wenn du mal nicht mehr boxen kannst?«
»Ach was, wir werden genug Geld haben, um uns was leisten zu können, was wir wollen.«
»Außer miteinander auszukommen, vielleicht.«
»Vielleicht kann ich mir angewöhnen, den Cosmopolitan zu lesen und was für meine Bildung zu tun.«
»Na, da wäre auch einiges zu tun.«
»Fuck you.«
»Was?«
»Fuck you.«
»Naja, das ist auch sowas, das hast du schon ne ganze Weile nicht mehr getan.«
»Manche Typen stehn drauf, keifende Weiber zu ficken. Ich nicht.«
»Pattie hat wohl nie gekeift, was?«
»Alle Weiber keifen rum, aber du bist der Champion.«
»Na, warum gehst du nicht einfach zu Pattie zurück?«
»Jetzt hab ich dich da. Ich kann hier immer nur eine Hure unterbringen.«
»Hure?«
»Hure.«
Ann stand auf, ging zum Schrank, holte ihren Koffer heraus und begann ihre Kleider reinzustopfen. Jack ging in die Küche und holte sich eine neue Flasche Bier. Ann heulte vor Wut. Jack setzte sich und nahm einen tiefen Schluck aus seiner Flasche. Er brauchte einen Whisky, er brauchte eine Flasche Whisky. .Und eine gute Zigarre.
»Den Rest von meinen Sachen kann ich mal abholen, wenn du nicht da bist.«
»Nicht nötig. Ich laß dirs schicken.« - Charles Bukowski, Die Stripperinnen
vom Burbank & 16 andere Stories. Frankfurt am Main 1980 (zuerst 1975)
Trennung (3) Ich überlegte in Ruhe folgendermaßen:
Ich bin gestorben, doch bin ich ein Mensch wie nur je. Ich bin im Begriff, den
Körper zu verlassen. Ich beobachtete den merkwürdigen Vorgang der Trennung von
Seele und Leib. Durch eine Kraft, die anscheinend nicht mir zugehörte, wurde
das Ich seitwärts hin- und hergeschaukelt, wodurch ihre Verbindung mit den Geweben
des Körpers sich löste. Nach einer kleinen Weile hörte diese seitliche Bewegung
auf, und (von den Füßen aufwärts schreitend) fühlte ich und hörte ich gewissermaßen
das Zerreißen zahlloser winziger Fesseln. Ich erinnere mich deutlich,
wie schließlich mein ganzes Ich im Kopfe
zusammengefaßt war. Als ich aus dem Schädel hervortrat, sah ich zwei Damen mir
zu Häupten sitzen. Ich schätze den Abstand vom Kopfende meines Bettes bis zu
den Knien der einen Dame und schloß, daß ich genügend Raum haben würde, dort
zu stehen. Indessen schwebte ich auf und nieder und seitwärts wie eine Seifenblase,
die am Pfeifenkopf haftet, bis ich endlich mich vom Körper losriß und sanft
zu Boden sank, von wo ich mich langsam erhob und bis zum vollen Wuchs eines
Menschen ausdehnte. Ich schien transparent, von bläulicher Farbe und vollkommen
nackt zu sein. Hiervon peinlich berührt und auf Flucht bedacht, fand ich mich
bekleidet, als ich die Tür erreichte, und beruhigt wandte ich mich wieder den
Anwesenden zu. Dabei berührte mein linker Ellenbogen den Arm eines von zweien
Herren, die in der Tür standen. Zu meiner Überraschung ging sein Arm durch den
meinen anscheinend ohne Widerstand hindurch (und der Betreffende bemerkte nichts
von der Berührung). Seinem Blicke folgend, sah ich meinen eigenen toten Körper.
Ich war überrascht von dem bleichen Aussehen des Gesichtes. - Nach:
Hans-Jürg Braun, Das Jenseits - Die
Vorstellungen der Menschheit über das Leben nach dem Tod. Frankfurt am
Main 2000 (it 2616, zuerst 1996)
Trennung (4) Carla hatte ihm geschrieben,
sie hätte sich entschlossen, das Kind nicht zu behalten. Marini schickte
ihr zwei Gehälter und dachte, daß der Rest nicht mehr ausreichen würde
für seinen Urlaub. Carla nahm das Geld an und ließ ihn durch eine Freundin
wissen, sie werde wahrscheinlich den Zahnarzt von Treviso heiraten. -
Julio Cortázar, Südliche Autobahn. Die Erzählungen Band 2. Frankfurt am
Main 1998
Trennung (5) Es herrschte Dunkelheit vom ersten Zeitalter zum zehnten, bis hin zum hundertsten und tausendsten Zeitalter, und die Erde und der Himmel lagen eng umschlungen, und zwischen ihnen lagen ihre Kinder, die das Licht nie gesehen hatten. Nach langer, langer Zeit wurden die Kinder von Himmel und Erde jedoch unzufrieden mit ihrem Dasein und begannen, sich untereinander zu beraten. »Laßt uns darüber nachdenken, was wir mit Rangi und Papa tun sollen!« sprachen sie. »Wäre es wohl besser, die Eltern zu toten, oder sollen wir sie bloß auseinanderzwingen?« Tu-matauenga, der wildeste unter den Kindern und Gott des Krieges, schlug vor, die Eltern ZA töten. Tane-mahuta aber, der Gott der Wälder und aller Geschöpfe des Waldes, sprach als nächster: »Ich bin anderer Meinung. Es ist besser, sie voneinander zu trennen! Der Himmel soll weit über uns sein, und die Erde unter uns. Der Himmel kann uns fremd werden - die Erde aber soll uns nahe bleiben und unsere Mutter sein, die uns hegt und pflegt!« Die anderen Kinder, ja selbst Tu, stimmten Tane zu, nur Tawhiri-ma-tea, der Gott der Winde und Stürme, war mit Tanes Vorschlag nicht einverstanden.
Er fürchtete um sein Reich, und trotz der Einigkeit seiner Brüder blieb er gegen die Trennung der Eltern. Nach endlos langer Zeit schritten die Kinder von Rangi und Papa zur Tat.
Als erster trat Rongo-ma-tane, der Gott der Nutzpflanzen, hervor und versuchte, die Eltern auseinanderzuzwingen. Es gelang ihm nicht. Darauf kam Tangaroa, der Gott des Ozeans, und stemmte sich zwischen die Eltern! Aber auch er schaffte es nicht, und mußte Haumia-tikitiki Platz machen, dem Gott aller wildwachsenden Nahrung.
Wieder kein Erfolg!
Ja selbst der wilde Tu konnte die Eltern nicht trennen, so sehr er auch auf die Sehnen, die Himmel und Erde verbanden, einschlug, daß sie zu bluten begannen.
Dann war die Reihe an Tane-mahuta; Langsam, ganz langsam richtete er sich auf und stemmte sich zwischen die Eltern - doch immer noch bewegten diese sich nicht.
Tane ruhte eine Weile lang aus, und dann versuchte er es aufs neue: seinen Kopf und seine Schultern preßte er gegen seine Mutter, die Erde, und mit den Beinen und Füßen stieß er den Vater Stück für Stück nach oben.
Die Sehnen, die Rangi und Papa verbanden, dehnten und dehnten sich und schließlich rissen sie, und Tanes Eltern schrien auf in ihrem Schmerz: »Warum nur tut ihr euren Eltern das an? Warum nur trennt ihr uns?«
Doch Tane stemmte sich weiter mit aller Kraft zwischen sie, und ruhte erst, als der Himmel hoch oben über ihm war und die Erde tief unter ihm.
Sein Werk war vollbracht und Licht fiel auf alle Kreaturen:
das Licht von Ra, der Sonne
das Licht von Marama, der Mondin
das
Licht von Whetu, dem Stern Atarapa,
das Licht der Morgendämmerung
Atahikurangi,
das Licht des hellen Tages.
Das Blut des Himmels aber sollte zum Sonnenuntergang werden, und das Blut
der Erde wurde zur roten Tonerde. Und dieses Rot ist die heilige Farbe der Maoris.
- Märchen aus Neuseeland. Überlieferungen
der Maori. Hg. und Übs. Erika Jakubassa. Köln 1985 (Diederichs, Die Märchen der Weltliteratur)
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