Traum-Landschaft  Komme wenn du heiter bist, erfreuliches Land! Weite Wiesen, nur von Lilien und Rosen gefärbt — Bäume neigen sich grünend und zweigig zusammen zu einem wachsenden Tempel — An Höhen laufen die Blumen hinauf und wanken mit ihren Glocken vol Bienen herab — Und die Höhen grünen dicht im Blau und die neigenden Wolken suchen sie liebend. — Und schimmern denn nicht diese Bäche durch die Flur? Und alles ist Glük und Blüten-Hecke. Der Vogel sinkt trunken an jedem Orte nieder. Die glükliche Woge der Luft läuft über das Paradies und berührt jedes flatternde Blat. Und wenn nun der Abend golden und ruhig nieder sinkt und wenn auf das weite Lager der seeligen Stille und Ruhe nun die weggehende Sonne sich golden lagert und zerfliesset — und wenn der Himmel die Erde färbt — und jedes Herz ist seelig und hat seinen Traum und Gott ist auf der Welt.  - (idg)

Traum-Landschaft (2)

PARISER TRAUM
Für Constantin Guys

Eine schreckliche Landschaft, die kein sterbliches Auge je erblickt hat,
sah ich im Traum und heute morgen noch entzückt mich,
nebelhaft und fern, ihr Bild.

Der Schlaf ist voller Wunder! In sonderbarer Laune hatte ich aus diesem Schauspiel der Pflanzen Regellosigkeit verbannt,

Und als ein Maler, stolz auf meinen Genius, genoß ich in dem selbstgeschaffenen Bilde die berauschende Öde von Wasser, Marmor und Metall.

Ein Babel ganz aus Treppen und Arkaden, war dies ein unabsehbarer Palast, voller Becken und Kaskaden, die in mattes oder blankes Gold sich stürzten;

Und wuchtend hingen Katarakte wie kristallene Vorhänge, gleißend, an Mauern aus Metall.

Nicht Bäume, sondern Kolonnaden umgaben die schlafenden Weiher, in deren Spiegel riesige Najaden wie Frauen sich betrachteten.

Weite Wasserflächen ergossen blau sich zwischen rosigen und grünen Kais, Abertausende von Meilen weit, bis an den Rand der Welt;

Da waren unerhörte Steine und Zauberfluten; waren unermeßliche Spiegel, geblendet von allem, was in ihnen widerschien!

Gleichmütig schweigend gössen Gangesströme am Firmament die Schätze ihrer Krüge in diamantene Klüfte,

Erbauer meiner Zauberwelten, ließ ich nach meinem Willen durch ein Gewölbe von Juwelen gebändigt ein Weltmeer fluten;

Und alles, selbst die schwarze Farbe, schien blankgerieben, hell und schillernd; die Feuchte faßte ihren Glanz in den kristallgewordenen Strahl.

Und kein Gestirn, von Sonne keine Spuren, auch nicht am Himmelsrand, um diese Seltsamkeiten zu erhellen, die von eignem Feuer funkelten!

Und über diesen Wundern in Bewegung schwebte (neuer Schrecken! ganz für das Auge, nichts für die Ohren!) ein Schweigen der Ewigkeit.

II
Als ich die Augen voll Lichtglanz wieder aufschlug, sah ich das Grauen meiner Kammer und empfand, heimkehrend in mich selbst, den Stachel der verfluchten Sorgen;

Die Uhr mit dumpfen Schlägen schlug unerbittlich Mittag, und Finsternisse goß der Himmel auf diese kläglich trag und kalte Welt.


- Charles Baudelaire, Die Blumen des Bösen (zuerst 1857). Übs. Friedhelm Kemp Frankfurt am Main 1966 (Fischer Tb. 737)

Traum Landschaft


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