Fraumdiebstahl  Bisweilen habe ich Elise im Verdacht, daß sie sich in meine Träume einschleicht. Dieses geheimnisvolle Sicheinmischen, ohne daß ein Wort gewechselt würde, ist mir das Allerunbehaglichste, vor allem, seit ich bemerkt zu haben glaube, daß, während sie meine Träume stiehlt, der Zugang zu den ihrigen mir verwehrt ist; vielleicht weil meine Einbildungskraft mächtiger und zerstreuter ist, Elisens hingegen besser verteidigt; daher kommt es, daß ich mitunter aus dem Schlaf auffahre, um ihr einen Traum streitig zu machen, von dem ich merke, daß er im Begriff steht, aus mir zu ihr hinüberzuwechseln. Einmal habe ich mich eine ganze Nacht hindurch wachgehalten und habe auf der Lauer gelegen, weil ich fürchtete, wenn ich einschliefe, dieses gefährliche Spiel zu ermöglichen, das mich meine Geheimnisse kostet und jemanden ermächtigt, mich anderntags glauben zu machen, man sei meinen verborgensten Wünschen und Erwartungen auf die Schliche gekommen, und mich dadurch um meinen Seelenfrieden zu bringen.

Es ist auch schon vorgekommen, daß, während ich derart verstohlen zwischen uns Wache halte, ich einem Albtraum erliege, dessen Annäherung mir entgangen ist, und plötzlich höre ich mich ein Wort aussprechen, das werweißwoher kommt und das Elise vernimmt, auch wenn sie schläft. Dann fährt sie aus ihrem Schlaf und fordert Rechenschaft von mir über dieses Wort.   - Marcel Jouhandeau, Elise. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1933 ff.)

 

Traum Diebstahl

 

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