Traumdeutung  "Ich träumte beständig, daß ich flöge. Als ich aber an eine schöne Stadt gekommen war, sah ich, daß ich falsch geflogen war, und kehrte um". Swedenborg legte diesen Traum so aus: "Scheint zu bedeuten, daß ich meine Füße nicht gewaschen hatte." Er schrieb über Fußwaschung ins Traumtagebuch am 9. April: "Es wurde mir klar, . . . warum Christus den Aposteln die Füße wusch und Petrus antwortete, es bedarf nichts als der Füße waschen. Dann erkannte ich, daß es der Heilige Geist ist, der vom Mittelpunkt, der Liebe, ausgeht. Er wird durch das Wasser verkörpert, denn er wird ,Woge und Welle' genannt."  - Emanuel Swedenborg, nach (je)

Traumdeutung (2) Was die Frage nach mantischen Erfahrungen betrifft, die man im Schlaf und, wie es heißt, aus Träumen gewinnt, ist weder verächtliche Zurückweisung noch überzeugte Zustimmung leicht möglich. Denn die Tatsache, daß alle oder wenigstens viele den Träumen eine Art von Bedeutung zuschreiben, spricht dafür, daß es sich um eine Erfahrungstatsache handelt; und daß die Traumdeutung in einigen Fällen Gültigkeit besitzt, ist nicht ganz unglaubhaft. Sie hat ja manchmal eine gewisse Berechtigung, und so könnte man diese Annahme auf andere Träume ausdehnen. Andererseits sieht man keine einleuchtende Erklärung für das Phänomen des Wahrsagens, und das läßt einen wiederum zweifeln. Denn anzunehmen, ein Gott sende die Träume, und zwar — abgesehen davon, daß diese Auffassung überhaupt unbegründet ist — nicht denjenigen, die moralisch und geistig am höchsten stehen, sondern beliebigen Leuten, ist absurd. - Aristoteles

Traumdeutung (3) Die Unterscheidung zwischen dem Traum (enhypnion) und dem Traumgesicht (oneiros) ist von grundlegender Wichtigkeit, und ich habe darüber auch in anderen Büchern geschrieben.  Da dir aber dieses Werk ohne gedankliche Ordnung und gewissermaßen ohne rechten Anfang erscheinen müßte, halte ich es für angezeigt, mit denselben Fragen jetzt wieder zu beginnen. Das Traumgesicht unterscheidet sich vom Traum dadurch, daß jenes die Zukunft, dieser Zustände der Gegenwart enthüllt. Du kannst dir die Sache folgendermaßen begreiflich machen:

Es gibt gewisse Affekte, die so geartet sind, daß sie im Schlaf wieder emporsteigen, sich der Seele wieder darbieten und Träume hervorrufen. So träumt z.B. der Liebhaber zwangsläufig von einem Zusammensein mit seinem Lieblingsknaben, der von Angst Geplagte vom Gegenstand seiner Angst, der Hungrige wieder vom Essen, der Durstige vom Trinken und einer, der sich den Magen überladen hat, vom Erbrechen oder Ersticken. Daraus kann man erkennen, daß Träume, deren Grundlage Affekte bilden, nichts über die Zukunft aussagen, sondern nur an Zustände der Gegenwart erinnern. Bei diesem Sachverhalt sind die einen Affekte offensichtlich rein körperlicher, die anderen seelischer, andere -wiederum körperlicher und seelischer Natur, so wenn der Liebhaber davon träumt, mit seinem Lieblingsknaben zusammenzusein, der Kranke, behandelt zu werden und Ärzte zu konsultieren; das sind Vorgänge, an denen Körper und Seele beteiligt sind. Erbrechen und Schlafen aber, andererseits Trinken und Essen sind ebenso dem Körper wie Freude und Schmerz der Seele zugeordnet. Daraus erhellt, daß körperliche Zustände aus Mangel oder Übermaß, seelische aus Furcht oder Hoffnung geschaut werden. - (art)

Traumdeutung (4) Ich selbst habe seit Jahrzehnten keinen eigentlichen Angsttraum mehr gehabt. Aus meinem siebenten oder achten Jahre erinnere ich mich an einen solchen, den ich etwa dreißig Jahre später der Deutung unterworfen habe. Er war sehr lebhaft und zeigte mir die geliebte Mutter mit eigentümlich ruhigem, schlafendem Gesichtsausdruck, die von zwei (oder drei) Personen mit Vogelschnäbeln ins Zimmer getragen und aufs Bett gelegt wird. Ich erwachte weinend und schreiend und störte den Schlaf der Eltern. Die - eigentümlich drapierten - überlangen Gestalten mit Vogelschnäbeln hatte ich den Illustrationen der Philippsonschen Bibel entnommen; ich glaube, es waren Götter mit Sperberköpfen von einem ägyptischen Grabrelief. Sonst aber liefert mir die Analyse die Erinnerung an einen ungezogenen Hausmeisterjungen, der mit uns Kindern auf der Wiese vor dem Hause zu spielen pflegte; und ich möchte sagen, der hieß Philipp. Es ist mir dann, als hätte ich von dem Knaben zuerst das vulgäre Wort gehört, welches den sexuellen Verkehr bezeichnet und von den Gebildeten nur durch ein lateinisches, durch »coitieren« ersetzt wird, das aber durch die Auswahl der Sperberköpfe deutlich genug gekennzeichnet ist. Ich muß die sexuelle Bedeutung des Wortes aus der Miene des welterfahrenen Lehrmeisters erraten haben.  - (freud)

Traumdeutung (5) Eine Frau, die schwanger ging, träumte, sie habe einen Drachen geboren. Der Sohn, den sie gebar, wurde ein hervorragender und namhafter Redner; denn der Drache hat wie ein Redner eine zweischneidige Zunge. Es war das eine reiche Frau, und der Reichtum ist der Zehrgroschen der Bildung. Eine andere hatte dasselbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde ein Hierophant; denn heilig ist der Drache, heilig auch der Myste. In diesem Fall war die Träumende die Gattin eines Priesters. Eine dritte träumte dasselbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde ein hervorragender Weissager; der Drache ist nämlich dem Apollon, dem Ur- und Vorbild aller Weissager, geheiligt. Diese Frau war die Tochter eines Weissagers. Eine vierte hatte dasselbe Gesicht, und ihr Sohn wurde ein zügelloser und frecher Bursche und verführte viele Frauen in der Stadt; denn der Drache geht krumme Wege. Es war aber schon die Mutter ein Ausbund von Geilheit und Hurerei. Eine fünfte träumte dasselbe Traumgesicht, und ihr Sohn wurde als Straßenräuber ergriffen und geköpft, denn der Drache wird, wenn er eingefangen wird, auf den Kopf geschlagen und endet so. Auch dieses Weib war ganz und gar nicht ohne Fehl. Der Sohn einer sechsten, die dasselbe Traumerlebnis hatte, wurde ein flüchtiger Sklave; denn der Drache windet sich durch die engsten Spalten und versucht, sich den Blicken der Verfolger zu entziehen. Die Mutter selbst war eine Sklavin. Einer siebenten träumte dasselbe, und ihr Sohn wurde gelähmt; denn der Drache bedient sich zum Vorwärtskommen seines ganzen Körpers, genauso wie die Gelähmten. Als die Frau dieses Traumgesicht schaute, lag sie an einer Krankheit danieder. Es war zu erwarten, daß das während der Krankheit empfangene und ausgetragene Kind sich nicht normal fortbewegen würde.  - (art)

Traumdeutung (6) Ich sah im Traum ein Bild von Christus. Wie Hieronymus saß er in einem Holzschnitt-Kabäuschen. An den Wänden hingen Regale mit Kupferplatten.
Drunter stand in altertümlicher Schrift: Christus als Kupferstecher.

Der Priester, dem ich von diesem Traum erzählte, sagte: »Was man nicht alles träumt!«

Ein Diakon vermutete, es sei Christus, der in unsere Seelen schreibe wie mit einem Stichel. - Walter Kempowski, Im Block. Frankfurt am Main 1972 (zuerst 1969)

Traumdeutung (7)  Wie viele Ärzte und Mullas waren befragt worden! Keiner fand den Trank der Gesundheit. Quacksalber und Charlatane! Auch die Träume waren nicht beruhigend gewesen. Gänse hatte er gesehn, die sich mit der Schlinge ihres Halses an Ästen kahler Bäume erhängt hatten. Die mehrdeutige Auslegung, die Abul Baka, Oberst der Koranstecher, diesem Gesicht gegeben, war ebenfalls alles eher denn befriedigend zu nennen. Schwäne zu werden, hätten die Gänse diese streckende Übung ihres Halses vorgenommen. Dem Padschah  Baber aber stehe bevor, in ein Reich einzuziehen, wogegen Hindostan ein kahler Ast sei.  - Albert Ehrenstein, Baber, nach  A.E.: Gedichte und Prosa. Neuwied u.a. 1961

Traumdeutung (8) Ich lag bei einer Frau, die nicht schön war, die ich aber doch gern hatte. Wie andere Frauen besaß sie das, wo ich sie nahm, aber vorne war etwas mit Zähnen. Mir schien es Archenholtz in Frauengestalt zu sein. Was dies bedeutet, weiß ich nicht; entweder daß ich keine Frau berühren soll, oder daß man in der Politik die Zähne zeigt, oder anderes. - Swedenborg, Traumtagebuch 1743-1744

Traumdeutung (9)  Im ersten Buch sagte ich, daß der Kopf den Vater des Träumenden bezeichne, im zweiten, daß der Löwe den Kaiser oder eine Krankheit versinnbildliche, und m dem Abschnitt über den Tod zeigte ich, daß das Sterben für Arme glückbringend und nützlich sei. Wenn nun ein armer Mann, der einen reichen Vater hat, träumt, sein Kopf sei ihm von einem Löwen abgerissen worden und er komme dadurch zu Tode, so steht zu erwarten, daß sein Vater sterben und ihn als Erben einsetzen wird, und auf diese Weise dürfte er sorgenfrei und wohlhabend werden, weil er nicht länger seinen Vater als Last noch drückende Not zu ertragen hat. Es bedeutet nämlich der Kopf den Vater, das Abreißen des Kopfes den Verlust des Vaters, und der Löwe die Krankheit, an der der Vater stirbt; der Tod hingegen bezeichnet den Wechsel in den Lebensverhältnissen und die durch den Reichtum erworbene Unabhängigkeit. Auf diese Weise hat man bei allen vielschichtigen Traumgesichten die Deutungen herauszufinden, indem man jedes einzelne Kernstück zu einem abgerundeten Ganzen fügt und verschmilzt. Man muß seine Auslegungen nach Art der Opferpriester geben, die einerseits genau wissen, wohin jedes einzelne Zeichen paßt, andererseits ihre Urteile ebensosehr aus jedem einzelnen als aus allen Zeichen zusammen schöpfen.  - (art)

Traumdeutung (10)   In seiner Bestform trägt der Träumer eine halbdunkle Schutzbrille; in seiner schlechtesten ist er ein Schwachkopf. Das Auditorium (1891, 1892, 1893, 1894 et cetera) möge sich sorgfältig notieren (Rascheln von Kollegheften), daß Träume auf Grund ihrer ureigensten Beschaffenheit, auf Grund jenes geistigen Mittelmaßes und Kleinbeamtentums auch nicht den Anschein von Moral oder Symbol oder Allegorie oder griechischem Mythos zu bieten vermögen, es sei denn, natürlich, der Träumer ist Grieche oder Mythologe. Metamorphosen in Träumen sind so verbreitet wie Metaphern in der Dichtung. Ein Schreiber, der, sagen wir mal, die Tatsache, daß die Phantasie weniger rasch als das Gedächtnis abnimmt, mit dem Blei eines Stiftes vergleicht, das sich langsamer abnutzt als das Radiergummi am Stiftende, vergleicht zwei wirklich konkrete, existierende Dinge. Soll ich das für Sie wiederholen? (Rufe «Ja! Ja!») Also, der Bleistift, den ich hier halte, ist immer noch annehmbar lang, obwohl er nun schon reichlich zu Diensten war, aber seine Gummikappe ist praktisch abradiert durch die Aktion schlechthin, die sie zu viele Male durchgeführt hat. Meine Phantasie ist immer noch stark und dienstbar, doch mein Gedächtnis wird kürzer und kürzer. Ich vergleiche jene wirkliche Erfahrung mit dem Zustand dieses wirklichen gewöhnlichen Gegenstandes. Keins von beiden ist ein Symbol des anderen. Gleichermaßen verwandelt ein Kaffeehaus-Komiker, wenn er sagt, daß ein kleiner konischer Schleckerbissen mit einer komischen Kirsche obenauf diesem oder jenem ähnele (Gekicher im Auditorium), verwandelt er ein rosa Brüstchen (tosendes Gelächter) in einer Besatz-Krause oder einem krausen Satz (Stille). Beide Gegenstände sind wirklich, sie sind nicht austauschbar, nicht Zeichen für irgend etwas anderes, etwa für Walter Ra-leighs enthaupteten Rumpf, noch immer überragt vom Bildnis seiner Amme (ein einsames Lachen). Der Fehler nun - der lüsterne, lächerliche und vulgäre Fehler der Signy-Mondieu-Analytiker besteht darin, daß sie ein wirkliches Objekt, ein Pompon etwa oder einen Pumpen-Schwengel (den der Patient wirklich in einem Traum gesehen hat) als eine bedeutsame Abstraktion des wirklichen Objekts betrachten, als eines Schwulen Bengels Bonbon oder die eine Hälfte der Büste, wenn Sie verstehen, was ich damit meine (verstreutes Gekicher). Es kann kein Sinnbild, keine Parabel in den Halluzinationen des Dorftrottels geben oder im Traum der letzten Nacht eines jeden von uns hier in diesem Saal. Bei solchen Zufallsvisio-nen kann nichts -unterstreichen Sie «nichts» (kratzendes Geräusch waagerechter Striche) - so ausgelegt werden, als ob es erlaube, daß ein Medizinmann es aus sich selber entschlüsselt und daraufhin vermag, einen Geisteskranken zu heilen oder einem Killer Trost zu gewähren, indem er die Schuld auf einen zu zärtlichen, zu teuflischen oder zu gleichgültigen Elternteil schiebt - geheime Geschwüre, die der pflegliche Kurpfuscher durch kostspieliges Couch-Geschwafel zu lindern vorgibt (Lachen und Beifall).  - (ada)

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