Traumbild   Die Träume für bloßes Gedankenspiel, bloße Phantasiebilder ausgeben zu wollen, zeugt von Mangel an Besinnung, oder an Redlichkeit: denn offenbar sind sie von diesen specifisch verschieden: Phantasiebilder sind schwach, matt, unvollständig, einseitig und so flüchtig, daß man das Bild eines Abwesenden kaum einige Sekunden gegenwärtig zu erhalten vermag, und sogar das lebhafteste Spiel der Phantasie hält keinen Vergleich aus mit jener handgreiflichen Wirklichkeit, die der Traum uns vorführt. Unsere Darstellungsfähigkeit im Traum übertrifft die unserer Einbildungskraft so himmelweit; jeder anschauliche Gegenstand hat im Traum eine Wahrheit, Vollendung, konsequente Allseitigkeit bis zu den zufälligsten Eigenschaften herab, wie die Wirklichkeit selbst, von der die Phantasie himmelweit entfernt bleibt; daher jene uns die wundervollsten Anblicke verschaffen würde, wenn wir nur den Gegenstand unserer Träume auswählen könnten. Es ist ganz falsch, Dies daraus erklären zu wollen, daß die Bilder der Phantasie durch den gleichzeitigen Eindruck der realen Außenwelt gestört und geschwächt würden: denn auch in der tiefsten Stille der finstersten Nacht vermag die Phantasie nichts hervorzubringen, was jener objektiven Anschaulichkeit und Leibhaftigkeit des Traumes irgend nahe käme. Zudem sind Phantasiebilder stets durch die Gedankenassociation, oder durch Motive herbeigeführt und vom Bewußtseyn ihrer Willkürlichkeit begleitet. Der Traum hingegen steht da, als ein völlig Fremdes, sich, wie die Außenwelt, ohne unser Zuthun, ja wider unsern Willen Aufdringendes. Das gänzlich Unerwartete seiner Vorgänge, selbst der unbedeutendesten, drückt ihnen den Stämpel der Objektivität und Wirklichkeit auf. Alle seine Gegenstände erscheinen bestimmt und deutlich, wie die Wirklichkeit, nicht etwan bloß in Bezug auf uns, also flächenartig-einseitig, oder nur in der Hauptsache und in allgemeinen Umrissen angegeben; sondern genau ausgeführt, bis auf die kleinsten und zufälligsten Einzelheiten und die uns oft hinderlichen und im Wege stehenden Nebenumstände herab: da wirft jeder Körper seinen Schatten, jeder fällt genau mit der seinem specifischen Gewicht entsprechenden Schwere, und jedes Hinderniß muß erst beseitigt werden, gerade wie in der Wirklichkeit. Das durchaus Objektive desselben zeigt sich ferner darin, daß seine Vorgänge meistens gegen unsere Erwartung, oft gegen unsern Wunsch ausfallen, sogar bisweilen unser Erstaunen erregen; daß die agirenden Personen sich mit empörender Rücksichtslosigkeit gegen uns betragen; überhaupt in der rein objektiven dramatischen Richtigkeit der Charaktere und Handlungen, welche die artige Bemerkung veranlaßt hat, daß Jeder, während er träumt, ein Shakespeare sei. Denn die selbe Allwissenheit in uns, welche macht, daß im Traum jeder natürliche Körper genau seinen wesentlichen Eigenschaften gemäß wirkt, macht auch, daß jeder Mensch in vollster Gemäßheit seines Charakters handelt und redet. In Folge alles Diesen ist die Täuschung, die der Traum erzeugt, so stark, daß die Wirklichkeit selbst, welche beim Erwachen vor uns steht, oft erst zu kämpfen hat und Zeit gebraucht, ehe sie zum Worte kommen kann, um uns von der Trüglichkeit des schon nicht mehr vorhandenen, sondern bloß dagewesenen Traumes zu überzeugen. Auch hinsichtlich der Erinnerung sind wir, bei unbedeutenden Vorgängen, bisweilen im Zweifel, ob sie geträumt oder wirklich geschehn seien: wenn hingegen Einer zweifelt, ob etwas geschehn sei, oder er es sich bloß eingebildet habe; so wirft er auf sich selbst den Verdacht des Wahnsinns. Dies Alles beweist, daß der Traum eine ganz eigenthümliche Funktion unsers Gehirns und durchaus verschieden ist von der bloßen Einbildungskraft und ihrer Rumination [Überdenken]. - Auch Aristoteles sagt: somnium quodammodo sensum est [Das Traumbild ist in gewissem Sinne eine Wahrnehmung]   - Schopenhauer, Versuch über Geistersehn und was damit zusammenhängt, nach (schop)
 
 

Traum Bild

 

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