Traum, fremder  Er war sich seit geraumer Zeit sicher gewesen, daß bestimmte Episoden seiner Träume nicht von ihm selbst stammen konnten. Darauf war er nicht durch rigorose Inhaltsanalysen nach dem Erwachen gekommen, nein, er wußte es einfach. Doch dann kam der Tag, da er zum erstenmal dem wahren Eigentümer eines Traums begegnete, den er gehabt hatte: Es geschah bei einem Trinkbrunnen in einem Park, eine sehr lange, wie mit dem Lineal gezogene Bankreihe, eine Ahnung von Meeresnähe hinter einer Zeile gestutzter, niedriger Zypressen, grauer Kies auf den Wegen, zum Schlafen weich aussehend, wie die Krempe eines Filzhutes, und dort kommt nun so ein knopfloses, sabberndes Wrack daher, genau der Typ, dem man nie begegnen möchte, bleibt stehen und beobachtet zwei Pfadfinderinnen, die gerade den Wasserdruck des Brunnens regulieren. Sie beugten sich tief über den Strahl, die kecken Herzchen, nicht ahnend, daß sie dabei verhängnisvolle Streifen weißer Baumwollhöschen enthüllten, darunter Rundungen kleiner, babyspeckiger Hintern, die dem Genitalen Gehirn einen förmlichen Schlag versetzen, wie verdreht es auch immer sein mag. Der Tramp lachte und zeigte mit dem Finger hin, dann sagte er etwas ganz Außerordentliches: «Na? Pfadfinderinnen beginnen, Wasser zu pumpen ... Dein Geräusch wird die knisternde Nacht sein ... na?» Dabei starrte er Pirat direkt ins Gesicht, keine Ausflucht mehr ... Pirat nämlich hatte genau diese Worte am Morgen des Vortags geträumt, kurz vor dem Aufwachen, sie waren Teil der üblichen Reihe von Preisen bei einem Wettkampf gewesen, der zu viele Teilnehmer hatte und gefährlich geworden war, weil kohlegepflasterte Straßen mitten durch die Sporthalle führten ... er konnte sich nicht mehr so recht erinnern ... Plötzlich außer sich vor Angst, erwiderte er: «Hauen Sie ab, oder ich rufe die Polizei.»    - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981
 
 

Fremdheit Traum

 

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