ratsch  Der Meister hat das Haus verlassen, wie jeden Morgen. Man hat ihn gegen neun auf der Straße gesehen. Er ist in die Kneipe gegangen, wo man ihm einen sehr dünnen Espresso serviert hat. Er bleibt an der Theke stehen, doch scheint er diesen Augenblick so lange wie möglich auszudehnen. Einige neben ihm sind bereits beim Rotwein oder Bier, sie leeren rasch ihr Glas und gehen. Man spricht den Meister nicht an und er richtet an niemanden das Wort, er ist für alle ein Original, er muß eine Meise haben, er stört nicht mehr. Immer hat er ein Buch in der Tasche, das er manchmal öffnet, selbst an der Theke, er wirft einen Blick hinein oder notiert etwas am Rand. Und dann geht er wieder hinaus und setzt seinen Morgenspaziergang durch die Gäßchen im Zentrum fort.

Es heißt er sei Professor gewesen.

Es heißt er schreibe seine Memoiren.

Es heißt er werde seine letzten Tage noch in der Anstalt verbringen.

Das große Haus, das er an den Wallanlagen bewohnt, ist sicher ungepflegt, der Hausangestellte, der sich darum kümmert, ist alt und sieht nicht mehr gut. Er geht morgens auch weg, fünf Minuten nach seinem Herrn, aber in eine andere Richtung, um seine Einkäufe beim Lebensmittelhändler zu machen, beim Fleischer und beim Bäcker. Die Geschäftsleute helfen ihm das Kleingeld zählen.

Dann hat man den Meister an der großen Kreuzung gesehen, es muß Viertel vor zehn gewesen sein. Er wollte gerade in die Hauptstraße einbiegen, also nach rechts, als er vor dem Schaufenster an der Ecke stehenblieb, dem Geschäft eines Trödlers. Er hat sich vorgebeugt um einen Gegenstand in der Auslage anzusehen, er hat ihn gut fünf Minuten betrachtet, er hatte seine Brille aufgesetzt. Der Ladeninhaber sagt, er interessiere sich für eine alte kleine Tonschale unbekannter Herkunft, im übrigen restauriert. Der Meister hätte ihn einmal nach dem Preis gefragt, seiner Meinung nach zu hoch.

Es gibt in der Stadt drei Trödler oder Antiquitätenhändler, die der Meister alle kennt, doch kauft er nie etwas bei ihnen. Geldmangel oder Schrulligkeit, man neigt eher zur zweiten Vermutung.

Nein, er stört niemanden mehr, der alte Uhu soll sehen wo er bleibt, im übrigen pfeift er auf dem letzten Loch. Dabei hat man sich am Anfang durchaus für ihn interessiert als er in der Oberstadt in sein Haus eingezogen ist, ein neuer Nachbar kann immer nützlich sein, schließlich sind wir keine Barbaren, gelegentlich ist man schon auf Gefälligkeiten angewiesen, gute Beziehungen können nie schaden. Aber er war von vornherein sehr reserviert, mit Ach und Krach hat er einen Gruß erwidert. Dann eben nicht, soll er doch sehen, wo er bleibt.

Erfahren, ob alle so denken.

Pfeift auf dem letzten Loch.   - (apok)

 

Geschwätz Kleinstadt Weib, altes

 

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