otenfinger Als
die Leiche in der Hängestube aufgebahrt lag, die Leute in steifen
Kleidern in der Küche, auf der Treppe zur Hängestube drängten und ihr
«Nu esse riech mä!» ihr «Nu breucht se nech mä schawietern!» ihr «Nu häd
se ausjesorcht ond jeht enne äwje Ruhe ain!» über die Leiche
hinwegsprachen, bat der Fährmann Kriwe, einen seiner wenigen Zähne, der
seit Tagen Schmerzen zog und im Eiter
stand, mit dem rechten Zeigefinger der Toten berühren zu dürfen. Der
Müller, zwischen Fenster und Lehnstuhl, ganz fremd in Schwarz und ohne
Sack und Mehlwurm, dabei von keinem Lichtwechsel betroffen, denn die
neue Mühle ging noch nicht, nickte langsam: sacht wurde der Großmutter
Matern der rechte Handschuh ausgezogen, und Kriwe führte den schlimmen
Zahn an die Kuppe ihres krummen Zeigefingers: heilig lächerlicher Moment
wunderbarer Heilung: Engel tippt, legt Hand auf, streicht gegen den
Strich und kreuzt Finger. Krötenblut Krähenaugen Stutenmilch. In den
Zwölf Nächten, dreimal über die linke Schulter, siebenmal gegen Osten.
Haarnadeln. Schamhaare. Nackenflaum. Ausgraben, in den Wind streuen, vom
Seich trinken, über die Schwelle gießen, nachts allein, noch vorm
Hahnenschrei, auf Matthäi. Gift aus Kornrade, Fett eines Neugeborenen.
Totenschweiß. Totenlaken. Totenfinger: denn tatsächlich soll der Eiter,
in dem Kriwes Zahn stand, nach der Berührung mit dem gekrümmten rechten
Zeigefinger der toten Großmutter Matern zurückgegangen sein, auch soll
der Schmerz, streng nach dem Aberglauben, Totenfinger heilt wehen Zahn,
nachgelassen und aufgehört haben. - (hundej)
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