otalkuß
Wie die, ohne das beabsichtigt haben zu können, jetzt voreinander
standen, so kann man nur voreinander stehen, wenn man allein ist. Und
wie die Bewegungen jetzt ineinanderflössen! Keine Zeitlupenaufnahme
hätte sehen lassen können, wer anfing, wer folgte. Es gab zwischen den
beiden nicht mehr Ursache und Wirkung. Ihr öffnete es den Mund, und sein
Kopf war schon mit einem sich öffnenden Mund unterwegs. Sem Kopf
schrägte sich beim Herunterkommen ein wenig. Wie eine Speziaimaschine,
mit der man Präzisionsarbeit leisten kann, senkte sich sein Kopf so auf
ihr sich hinaufdrehendes Gesicht herab, daß sein Mund voll auf ihren wie
zum Hostienempfang geöffneten Mund traf. Dann mampften die Münder
einander so, daß wiederum keine Zeitlupe hätte mehr bringen können, als
Halm ohnehin sah. Irgendwann hatte Halm das Gefühl, er habe schon viel
zu lange zugeschaut. Hoffentlich nahmen sie ihm das nicht übel. Falls
sie es bemerkt haben sollten. Auf sozusagen freie Menschen muß das
furchtbar wirken, wenn einer ihnen so zuschaut beim Küssen. So ein
Verklemmter! Ein Spießbürger! Ein Hosenträgerträger! Und in den Händen
schwitzt der! Stimmt, stimmt, stimmt. Aber tot nicht. - Martin Walser, Brandung. Frankfurt am Main 1987
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