osen
Die Stimme, wütender Vogel, stürzt im Silbenflug durch die Luft, wirft
sich in Form eines unendlichen Schnabels auf das, was jetzt eitle Gemeinheit,
schlaue Verschweigung ist, und verletzt bis ins Innerste die Luftgedärme der
verstockten Verneinung. Schließlich erfährst du die Stille.
Der Himmel ist voll von toten Klängen, tönenden Vogelfedern, gemordeten Glockenschlägen;
man feiert den Tod des Klangs. Die Stimme ist erloschen.
Ein Tropfen. Eine Tür. Ein Wind verstreut Staub von Geröchel und Gepfeif. Und
nun sag mir: kann es sein, daß die Nacht zuendegeht? Daß du von deinem Kauern
erlöst und von der Verneinung befreit wirst? Daß die Stimmenkarte als ungesetzlich
erklärt und sanft aber entschieden der Schärfe deiner Hände entwunden wird?
Es kann sein. Ich müßte mit dir reden, ich, Nichtstimme, über die Zerreißung
der Nacht und die Planung der Morgenröte, des Lichtschimmers. Ein großes nobles
Gekreisch spaltet die Stille. Das möchtest du jetzt wissen, nicht wahr? Was
das ist, dieser Lärm? Dieses plötzliche Tosen, wie du es nie gehört hast? Dieses
Schreien der Nacht, zerborsten in zahllose Nächte, Nachtperlen, Tropfen aus
Nacht? Was ist dieses rasende Sausen, dieses Gebraus? Welcher Krawall regiert
die Welt und weitet den Raum? Ja was kann es denn sein, dieses Gegröl und Gejohl,
dieses Zetern und Poltern, dieses Pfeifen der Luft, dieses Erschauern des Klangs?
Was, mein lieber Nachtwandler, mein lieber Finsternishocker, kann es denn anderes
sein als dieses, ja dieses genau - die Auferstehung
der Toten? - Giorgio Manganelli, Geräusche oder
Stimmen. Berlin 1989