orwart
Mit Begeisterung war ich Torwart. In Rußland und den romanischen
Ländern ist jene edle Kunst immer von der Aura eines beispiellosen Glanzes umgeben
gewesen. Erhaben, einsam, unbeteiligt, so schreitet der Held des Fußballtors
durch die Straßen, verfolgt von hingerissenen kleinen Jungs. Er wetteifert mit
dem Matador und Flieger-As als ein Gegenstand verzückter Verehrung. Sein Pullover,
seine Schirmmütze, seine Knieschoner, die Handschuhe, die aus der Gesäßtasche
seiner kurzen Hose ragen, heben ihn von der übrigen Mannschaft ab. Er ist der
einsame Adler, der Geheimnisvolle, der letzte Verteidiger. Photographen, ein
Knie ehrwürdig gebeugt, knipsen ihn, wenn er sich mit einem spektakulären Kopfsprung
quer über die Öffnung des Tores wirft, um mit den Fingerspitzen einen niedrigen,
blitzartigen Schuß abzuwehren, und beifällig brüllt das ganze Stadion, während
er in dem unversehrten Tor noch einen Augenblick der Länge lang liegenbleibt,
wie er fiel. - (
nab
)
Torwart (2) Ein Elfmeter wurde gegeben. Alle Zuschauer liefen hinter das Tor.
»Der Tormann überlegt, in welche Ecke der andere schießen wird«, sagte Bloch. »Wenn er den Schützen kennt, weiß er, welche Ecke er sich in der Regel aussucht. Möglicherweise rechnet aber auch der Elfmeterschütze damit, daß der Tormann sich das überlegt. Also überlegt sich der Tormann weiter, daß der Ball heute einmal in die andere Ecke kommt. Wie aber, wenn der Schütze noch immer mit dem Tormann mitdenkt und nun doch in die übliche Ecke schießen will? Und so weiter, und so weiter.« Bloch sah, wie nach und nach alle Spieler aus dem Strafraum gingen. Der Elfmeterschütze legte sich den Ball zurecht. Dann ging auch er rückwärts aus dem Strafraum heraus.
»Wenn der Schütze anläuft, deutet unwillkürlich der Tormann, kurz bevor der Ball abgeschossen wird, schon mit dem Körper die Richtung an, in die er sich werfen wird, und der Schütze kann ruhig in die andere Richtung schießen«, sagte Bloch. »Ebensogut könnte der Tormann versuchen, mit einem Strohhalm eine Tür aufzusperren.«
Der Schütze
lief plötzlich
an. Der Tormann,
der einen grellgelben
Pullover anhatte,
blieb völlig
unbeweglich
stehen, und
der Elfmeterschütze
schoß ihm den
Ball in die
Hände. -
Peter Handke,
Die Angst des
Tormanns beim
Elfmeter. Frankfurt
am Main 1972
(zuerst 1970)
Torwart
(3)
Ich hatte beim Fußball einen guten Platz, ich stand im Tor... da konnte
ich ruhig nachdenken... Ich hatte nicht gern, wenn man mich störte, ich ließ
fast alle Bälle durch... Beim Anpfiff stürzten sich die Rotzer in den Kampf,
sie bearbeiteten den Dreck, daß sie sich fast die Haxen ausrissen, sie bekleisterten
sich, daß ihnen die Glotzer, die Flappen zuklebten und der Körper mit dem ganzen
Morast des Geländes beklebt war... Wenn das Spiel zu Ende war, sahen unsere
Jungens wie wandelnde Lehmfiguren aus, mit ganzen Büscheln Taubendreck daran.
Je mistiger, verklebter, mehr mit Kot beschmiert sie waren, desto zufriedener
und glücklicher waren sie... Durch ihre Krusten hindurch waren sie außer sich
vor Glück. -
(
tod
)
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