orte  Ich bin eine Torte, eine mit Schlagsahne reichlich versehene Nußtorte auf einer schnurgeraden Landstraße. Um vorwärtszukommen, drehe ich mich, der ich ja keinerlei Beine hebe, wie ein Kreisel.

Das ginge ganz gut und auch ziemlich schnell, wenn nicht die Landstraße in der Mitte höher wäre als zu beiden Seiten und wenn ich nicht wegen der daurch hervorgerufenen sanften Wölbung immer wieder nach links oder rechts zum Chausseegraben hinabgleiten müßte. Ich gebe mir äußerste Mühe, mich in der Mitte zu halten und geradeaus statt im Zickzack vorwärtszukreiseln; denn an den Rändern ist die Chaussee mit Weiden bewachsen, die jedesmal, sobald ich mich ihnen nähere, mit ihren dünnen Zweigen nach mir schlagen, als ob sie es auf meine Schlagsahne abgesehen hätten. Es gelingt ihnen auch, mir Wehrlosem die Schagsahne in Fetzen von meinem Leibe zu peitschen.  - Wieland Herzfelde, Tragigrotesken der Nacht. Berlin 1920 (Malik)

Torte ⁽²⁾  In einer dunklen Ecke des Raums bewegte sich etwas.

»Ja doch«, sagte Jemima laut, »wir werden gleich zu Abend essen. Heute gibt es etwas sehr Leckeres: eine Torte. Den Teig hat die Köchin gemacht, die Fliegen und Wespen habe ich gefangen. Ich hoffe, es wird euch allen schmecken.«

Sie zog ein rotes Tischtuch hervor, breitete es auf dem Boden aus und nahm dann aus einer Blechschachtel eine große Torte. Danach trug sie aus einem Winkel einen Käfig herbei, öffnete ihn, und unbeholfen sprang eine riesige Fledermaus auf das Tischtuch. Sie war sehr dick, und sieben kleine Fledermäuse saugten an ihren sieben Zitzen. Sie stieß kurze Freudenschreie aus. Jemima pfiff auf den Fingern, und drei schwarze Kater sprangen durchs Fenster herein. Alle fielen begierig über die Torte her.

»Heute schmecken die Fliegen besonders gut«, sagte Jemima mit vollem Mund. »Ich habe sie selbst mit Zucker, Sahne und schön angefaultem Fleisch gefüttert. Das ergibt einen zugleich fruchtigen und delikaten Geschmack. Dazu werden wir Wein trinken, denn heute ist ein Festtag für uns.«  - (wind)