orpedo Ein Gurgeln hinter dem Turmschatten, Zischen und Beláusteguis Geheul aus der Zentrale: «Der Aal! Der Aal!» Der Aal, fragt sich Graciela, der Aal? Ach ja, ein Torpedo. Ah, dieser Beläustegui, er ist so schlimm wie El Ñato, er fühlt die seltsame Verpflichtung, sich hier an Bord auch des Jargons der deutschen U-Boot-Fahrer zu bedienen, es ist precisamente ein seegehender Turm zu Babel, dieses Boot - aber Torpedo? Was hat er jetzt von einem Torpedo zu brüllen?
Er hat den guten Grund, daß das U-Boot seit kurzem einen «Skunk», ein nicht identifiziertes Echo, auf dem Radarschirm der USS John E. Badass abgibt (bitte recht freundlich, U-Boot!) und daß die Badass nun in einem muskulösen Nachkriegs-Reflex mit voller Kraft voraus auf das fragliche Objekt zuhält. Der Empfang ist ausgezeichnet heute nacht, die grüne Bildspur «feinkörnig wie Babyhaut», wie Spyros («Spider») Telanglecstasis, Radarman 2nd Class, bestätigt. Man sieht klar bis raus zu den Azoren. Es ist ein milder, fluoreszierender Sommerabend auf See. Aber was zeigt sich da Flinkes auf dem Schirm, von Intervall zu Intervall näherkommend, abgespalten wie ein Tropfen Licht vom alten Echo, winzig und unmißverständlich auf die ruhende Achse des Abtaststrahls gezielt und ziemlich nahe schon -
«Bakerbakerbaker!» brüllt eine Stimme aus dem Sonar laut und aufgeregt durch die Sprechanlage. Das bedeutet feindlicher Torpedo unterwegs. Kaffeegeschirre klirren auf die Bodenplatten, Parallellineale und Stechzirkel rutschen über das glasige Todeskalkül des Leuchtschirms, als der alte Eimer in den ersten Haken eines Zacksystems hineinkrängt, das schon zu Zeiten der Regierung Coolidge aus der Mode war.
Der bleiche Blasentunnel des Aals zielt fast genau mittschiffs in das verzweifelte Ausweichmanöver der Badass hinein. Was dazwischentritt ist die Droge Oneirin, als Hydrochlorid. Das Gerät, aus dem sie tropfte, ist die Kaffeemaschine in der Messe der John E. Badass. Der stets zu einem Streich aufgelegte Seaman Bodine - kein anderer - hat die Gründe dieser Nacht mit einer massiven Dosis von Laszlo Jamfs vielgerühmter Droge präpariert, die er sich auf seinem letzten Trip nach Berlin organisiert hatte.
Unter den Eigenschaften, die Oneirin auszeichnen, war die der Zeitmodulation
eine der ersten, die in der Fachwelt Aufsehen erregte. «Man erlebt sie», schreibt
Shetzline in seiner klassischen Studie, «auf eine völlig subjektive Weise...
äh ... tscha... sagen wir mal so: Als triebe man sich Keile aus silbernem Schwamm
mitten, ins, eigene, Gehirn!» So kommt's, daß sich die beiden fatalen Kurse
auf dem mürben Meeresecho dieser Nacht zwar räumlich
kreuzen, nicht jedoch in der Zeit. Nicht auch nur annähernd
in der Zeit, heh, heh. Das Ziel, auf das Beláustegui seinen Torpedo feuerte,
war ein vergammeltes altes Wrack, das machtlos mit Wind und Strömung trieb,
aber doch genug vom Schädel in die Nacht brachte: eine Ankündigung von metallener
Leere, von Schatten, die selbst krasseren Positivisten als Beláustegui schon
eine Gänsehaut über den Rücken gejagt hat. Und was von der flinken Bildspur
an Bord der Badass schließlich in Sichtweite kam, erwies sich als eine
dunkelhäutige Leiche, eines Nordafrikaners vielleicht, die die Kanoniere vom
achteren Dreizöller des Zerstörers eine halbe Stunde lang in Stücke schossen,
während das graue Kriegsschiff, ferngehalten von seiner Seuchenangst, in sicherem
Abstand vorüberglitt. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981
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