odesengel  Traum Nr. 89 welcher dir ebenfalls eine Heidenangst verursachen wird, denn neunundachtzig jahre bist du geworden und nun steht der todesengel, ein tadellos angezogener, gutaussehender mensch vor deiner wohnungstür. Er liest dein namensschild, er klingelt . . . Du: Wer ist draußen? Ich habe keine hosen an ... Engel: Mein name ist Schnurzraphel, ich möchte sie gerne sprechen . . . Du: Warten sie doch bitte einen augenblick, ich muß mir bloß meine hosen anziehen . . . Engel: Ach was, genieren sie sich nicht, ich hab schon milliarden ohne beinkleider angetroffen! Du: Das mag schon sein, aber ich habe auch keine Unterhosen an. Wer sind sie denn eigentlich? Engel: Ich bin Schnurzraphel, der engel des todes, und komme, um sie zu einer kleinen spazierfahrt einzuladen . . . Du: Du lieber himmel, nein nein nein, das geht doch nicht, ich habe ja gar keine hosen an!

Mit diesem schrecklichen ausruf wirst du schweißgebadet, aber bedeutend jünger erwachen.  - (tra)

Todesengel (2)  Kaum war Einstein an ihm vorübergegangen, als der Neger sich erhob, auf ihn zutrat und ihn ansprach. »Herr«, sagte er. Jetzt, da er stand, wirkte er übergroß, schön mit seinen afrikanischen Gesichtszügen und im ganzen eher gewaltig. Durch die blaue Dämmerung leuchtete sein weißes Lächeln.

»Herr«, sagte der Neger, »haben Sie Feuer?«, und er wies einen Zigarettenstummel vor.

»Ich rauche nicht«, antwortete Einstein, der erstaunt stehengeblieben war.

Darauf der Neger: »Wollen Sie mir nicht einen Drink bezahlen?« Hochgewachsen war er, jung und wild.

Einstein suchte vergebens in seinen Taschen: »Ich weiß nicht... Ich habe kein Geld bei mir... Ich bin nicht gewöhnt... Es tut mir wirklich leid...« Und er wandte sich zum Gehen.

»Nichts für ungut«, sagte der Neger. »Aber... entschuldigen Sie...«

»Was willst du denn noch?« fragte Einstein.

»Ich habe mit Ihnen zu sprechen. Deshalb bin ich da.«

»Mit mir? Aber wieso...?«

Der Neger sagte: »Ich habe mit Ihnen etwas ganz Geheimes zu besprechen. Ich kann es Ihnen nur ins Ohr sagen.« Seine Zähne leuchteten noch heller als zuvor, denn inzwischen hatte sich die Finsternis herabgesenkt. Jetzt neigte er sich zu Einsteins Ohr nieder: »Ich bin der Teufel Iblis«, flüsterte er, »ich bin der Todesengel und muß deine Seele mitnehmen.«

Einstein wich einen Schritt zurück. »Ich habe den Eindruck«, sagte er mit harter Stimme, »daß du zuviel getrunken hast.«

»Ich bin der Todesengel«, wiederholte der Neger. »Sieh her.«

Er trat auf die Hecke zu, riß einen Zweig ab, und in wenigen Sekunden verfärbten sich die Blätter, vertrockneten, wurden grau. Der Neger blies darauf. Und alles - Zweig, Blätter und Stengel - flog als feiner Staub davon.

Einstein senkte den Kopf: »Also ist es soweit? Aber gerade heute abend, hier, mitten auf der Straße?«

»Das ist mein Auftrag.«

Einstein sah sich um, aber nirgends war ein lebendes Wesen zu erblicken. Ausgestorben die Straße mit ihren brennenden Lampen. Ganz weit hinten an der Kreuzung waren die Lichter von Autos zu erkennen. Einstein blickte auch zum Himmel empor, der hell war und in dem alle Sterne an der rechten Stelle standen. Gerade jetzt ging die Venus unter.

Einstein sagte: »Hör mich an - laß mir noch einen Monat Zeit. Du bist gerade jetzt gekommen, während ich eben im Begriffe bin, meine Arbeit zu vollenden. Ich bitte dich nur um einen Monat.«

»Das, was du entdecken willst«, sagte der Neger, »das wirst du sofort wissen, wenn du mit mir gehst.«

»Das ist nicht dasselbe. Welchen Wert hat das, was wir drüben ohne jede Anstrengung erfahren? Meine Arbeit ist wichtig. Ich bin seit dreißig Jahren mit ihr beschäftigt, und jetzt fehlt mir nur noch ganz wenig...«

Der Neger grinste. »Einen Monat hast du gesagt?... Aber versuche nicht, dich vor mir zu verstecken, wenn dieser Monat um ist. Auch wenn du in das tiefste Bergwerk flüchtetest, würde ich dich sogleich zu finden wissen.«

Einstein wollte noch eine Frage stellen, aber der Neger hatte sich bereits in Nichts aufgelöst.  - Dino Buzzati, Die Maschine des Aldo Christofari. Frankfurt am Main 1985

Todesengel (3)

Todesengel (4) Der Fleiß und der Nutzen sind die Todesengel mit dem feurigen Schwert, welche dem Menschen die Rückkehr ins Paradies verwehren. Nur mit Gelassenheit und Sanftmut, in der heiligen Stille der echten Passivität kann man sich an sein ganzes Ich erinnern, und die Welt und das Leben anschauen. Wie geschieht alles Denken und Dichten, als daß man sich der Einwirkung irgendeines Genius ganz überläßt und hingibt? Und doch ist das Sprechen und Bilden nur Nebensache in allen Künsten und Wissenschaften, das Wesentliche ist das Denken und Dichten, und das ist nur durch Passivität möglich. Freilich ist es eine absichtliche, willkürliche, einseitige, aber doch Passivität. Je schöner das Klima ist, je passiver ist man. Nur Italiäner wissen zu gehen, und nur die im Orient verstehen zu liegen; wo hat sich aber der Geist zarter und süßer gebildet als in Indien? Und unter allen Himmelsstrichen ist es das Recht des Müßiggangs was Vornehme und Gemeine unterscheidet, und das eigentliche Prinzip des Adels.

Endlich wo ist mehr Genuß und mehr Dauer, Kraft und Geist des Genusses; bei den Frauen, deren Verhältnis wir Passivität nennen, oder etwa bei den Männern, bei denen der Übergang von übereilender Wut zur Langeweile schneller ist, als der Übergang vom Guten zum Bösen?

In der Tat man sollte das Studium des Müßiggangs nicht so sträflich vernachlässigen, sondern es zur Kunst und Wissenschaft, ja zur Religion bilden! Um alles in Eins zu fassen: je göttlicher ein Mensch oder ein Werk des Menschen ist, je ähnlicher werden sie der Pflanze; diese ist unter allen Formen der Natur die sittlichste, und die schönste. Und also wäreja das höchste vollendetste Leben nichts als ein reines Vegetieren.  - Friedrich Schlegel, Lucinde. Berlin u.a. 1980 (zuerst 1799)

 

Engel Tod

 

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