Todesart, gewisse  Mitte Mai kam per Flugzeug Herbert Heyne nach Neapel, ein neunundvierzigjähriger naturalisierter Amerikaner deutscher Abstammung, Besitzer einer Drugstore-Kette in Baltimore. Er litt an Asthma und besuchte seit Jahren verschiedene Sanatorien; ein Lungenspezialist hatte ihm mit Rücksicht auf rheumatische Komplikationen geraten, Schwefelbäder zu nehmen. Er nahm sie in einer kleinen Anstalt unweit seines Hotels an der Piazza Mum'cipale, aß ausschließlich im Hotelrestaurant und schlug nach neun Tagen furchtbaren Krach mit der Behauptung, das Essen schmecke ekelhaft bitter. Nach der Szene im Restaurant verließ er das Hotel und fuhr nach Salerno, wo er sich in einer Pension am Meer einquartierte. Am späten Abend ging er fort, um ein Bad zu nehmen. Dem Portier, der ihn wegen des starken Seegangs und der einbrechenden Dunkelheit davor warnte, sagte er, er könne nicht ertrinken, denn er werde am Kuß eines Vampirs sterben, doch noch nicht so bald. Er zeigte ihm die für den Vampirkuß bestimmte Stelle, sein Handgelenk. Der Portier war Tiroler, er sah den Gast als Landsmann an, denn das Gespräch wurde auf deutsch geführt, also ging er bald danach an den Strand und vernahm Heynes Schrei. Es fand sich ein Rettungsschwimmer, der Deutsche wurde geborgen, aber da er sich wie rasend benahm - er biß seinen Retter -, brachte man ihn mit dem Krankenwagen ins Hospital, wo er mitten in der Nacht aus dem Bett aufstand, eine Fensterscheibe zertrümmerte und sich mit einem Stück Glas die Pulsadern aufschnitt. Die diensttuende Schwester schlug rechtzeitig Alarm, man bewahrte ihn vor dem Verbluten, doch erkrankte er an Aspirationspneumanie, so daß er nach drei Tagen starb, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.  - Stanislaw Lem, Der Schnupfen. Frankfurt am Main 1979

Todesart Gewißheit


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