ierarzt Ich
erinnere mich, wie ich mit Stanley am späten Nachmittag, ein belegtes Brot in
der Hand, vor dem Haus des Tierarztes stand, der uns gegenüber wohnte. Dr. McKinney
schien immer den Spätnachmittag zu wählen, wenn er einen Hengst kastrierte,
eine Operation, die öffentlich vollzogen wurde und bei der sich stets eine kleine
Volksmenge ansammelte. Ich erinnere mich an den Gestank des heißen Eisens und
das Zittern der Pferdebeine, an Dr. McKinneys Spitzbart, an den Geschmack der
rohen Zwiebel und den Gasgeruch gerade hinter uns, wo ein neues Hauptrohr verlegt
wurde. Dieser Vorgang sprach lediglich den Geruchssinn an und war, wie Abaelard
es so trefflich beschreibt, praktisch schmerzlos. Da wir den Zweck der Operation
nicht kannten, führten wir im Anschluß daran lange Diskussionen, die gewöhnlich
mit einer Zankerei endeten. Übrigens mochte niemand Dr. McKinney gern; ein Geruch
nach Jodoform und abgestandenem Pferdeurin umgab ihn. Manchmal war der Rinnstein
vor seiner Praxis voller Blut, und im Winter gefror das Blut zu Eis und verlieh
dem Gehsteig ein seltsames Aussehen. Dann und wann tauchte ein großer zweirädriger
Karren auf, der offen war und teuflisch stank, und man lud ein totes Pferd darauf.
Vielmehr wurde es, nämlich der Kadaver, an einer langen Kette hinauf gehievt,
die ein knirschendes Geräusch machte wie das Fallen eines Ankers. Der Geruch
eines aufgetriebenen toten Pferdes ist scheußlich, und unsere Straße war voll
scheußlicher Gerüche. - Henry Miller,
Wendekreis des Steinbocks, Reinbek bei Hamburg 1972 (zuerst 1939)
Tierarzt (2) Am Rande des Teiches stand eine Kuh und brüllte; sie zitterte unter den Strömen von kaltem Wasser, das man ihr eimerweise über den Leib goß; ungeheuer auf getrieben, sah sie aus wie ein Nilpferd.
Zweifellos hatte sie »Gift« gefressen, als sie im Klee weidete. Vater und Mutter Gouy waren untröstlich, denn der Tierarzt konnte nicht kommen, und ein Stellmacher, der Koliken besprechen konnte, wollte sich nicht herbemühen; aber die Herren hätten ja eine so berühmte Bibliothek, und da müßten sie doch ein Geheimmittel kennen.
Nachdem sie sich die Ärmel aufgekrempelt hatten, stellten sie sich, der eine an den Hörnern, der andere an der Kruppe auf, und mit mächtiger Willensanstrengung und geradezu wahnsinnigem Gebärdenspiel spreizten sie die Finger, um über das Tier Ströme des Fluidums auszugießen, während der Pächter, seine Frau, ihr Junge und die Nachbarn ihnen beinahe entsetzt zusahen.
Ein Kollern, das man im Bauch der Kuh hörte, rief Blähungen tief in den Eingeweiden hervor. Sie ließ einen Wind gehen. Da sagte Pécuchet: »Das ist ein Tor, das sich der Hoffnung öffnet. Vielleicht wird es eine Entladung geben.«
Die Entladung fand statt, die Hoffnung spritzte heraus als eine Flut
gelber Masse, die mit der Gewalt einer Granate
hervorplatzte. Die Herzen wurden leichter, die Kuh nahm an Umfang ab. Eine
Stunde später war ihr nichts mehr anzumerken. -
(bouv)
Tierarzt (3)
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