heologie  Der letzte in unsere Betrachtung eingehende Fall nun wäre, daß die unter der vorigen Nummer beschriebene, magische Einwirkung auch noch nach dem Tode ausgeübt werden könnte, wodurch dann eine eigentliche Geistererscheinung, mittelst direkter Einwirkung, also gewissermaaßen die wirkliche, persönliche Gegenwart eines bereits Gestorbenen, welche auch Rückwirkung auf ihn zuließe, Statt fände. Die Ableugnung a priori jeder Möglichkeit dieser Art und das ihr angemessene Verlachen der entgegengesetzten Behauptung kann auf nichts Anderm beruhen, als auf der Ueberzeugung, daß der Tod die absolute Vernichtung des Menschen sei; es wäre denn, daß sie sich auf den protestantischen Kirchenglauben stützte, nach welchem Geister darum nicht erscheinen können, weil sie, gemäß dem während der wenigen Jahre des irdischen Lebens gehegten Glauben oder Unglauben, entweder dem Himmel, mit seinen ewigen Freuden, oder der Hölle, mit ihrer ewigen Quaal, gleich nach dem Tode, auf immer zugefallen seien, aus Beiden aber nicht zu uns heraus können; daher, dem protestantischen Glauben gemäß, alle dergleichen Erscheinungen von Teufeln, oder von Engeln, nicht aber von Menschengeistern, herrühren; wie dies ausführlich und gründlich auseinandergesetzt hat Lavater, de spectris, Genevae 1580, pars II, cap. 1 et 4.

Die katholische Kirche hingegen, welche schon im 6. Jahrhundert, namentlich durch Gregor den Großen, jenes absurde und empörende Dogma, sehr einsichtsvoll, durch das zwischen jene desperate Alternative eingeschobene Purgatorium [Fegfeuer] verbessert hatte, läßt die Erscheinung der in diesem vorläufig wohnenden Geister, und ausnahmsweise auch anderer, zu; wie ausführlich zu ersehn aus dem bereits genannten Petrus Thyraeus, de locis infestis, pars I, cap. 3, sqq. Die Protestanten sahen, durch obiges Dilemma, sich sogar genöthigt, die Existenz des Teufels auf alle Weise festzuhalten, bloß weil sie zur Erklärung der nicht abzuleugnenden Geistererscheinungen seiner durchaus nicht entrathen konnten: daher wurden, noch im Anfang des vorigen Jahrhunderts, die Leugner des Teufels Adaemonistae [Dämonenungläubige] genannt, fast mit dem selben pius horror [frommen Schauder], wie noch heut zu Tage die Atheistae: und zugleich wurden demgemäß, z. B. in C. F. Romani schediasma polemicum, an dentur spectra, magi et sagae, Lips. 1703, gleich von vorn herein die Gespenster definirt als apparitiones et territiones Diaboli externae, quibus corpus, aut aliud quid in sensus incurrens sibi assumit, ut homines in festet [äußere Erscheinungen und Schreckgestalten des Teufels, in denen er den Leib oder etwas anderes mit den Sinnen Wahrnehmbares annimmt, um die Menschen zu beunruhigen]. Vielleicht hängt sogar es hiemit zusammen, daß die Hexenprocesse, welche bekanntlich ein Bündniß mit dem Teufel voraussetzen, viel häufiger bei den Protestanten, als bei den Katholiken gewesen sind. - Jedoch von dergleichen mythologischen Ansichten absehend sagte ich oben, daß die Verwerfung a priori der Möglichkeit einer wirklichen Erscheinung Verstorbener allein auf die Ueberzeugung, daß durch den Tod das menschliche Wesen ganz und gar zu nichts werde, sich gründen könne. Denn so lange diese fehlt, ist nicht abzusehn, warum ein Wesen, das noch irgendwie existirt, nicht auch sollte irgendwie sich manifestiren und auf ein anderes, wenn gleich in einem andern Zustande befindliches, einwirken können. Daher ist es so folgerecht, wie naiv, daß Lukianos, nachdem er erzählt hat, wie Demokritos sich durch eine ihn zu schrecken veranstaltete Geistermummerei keinen Augenblick hatte irre machen lassen, hinzufügt:  adeo persuasum habebat, nihil adhuc esse animas a corpore separatas. [So fest war er davon überzeugt, daß die Seelen, wenn sie den Körper verlassen haben, nichts mehr seien.] Philops. 32. - Ist hingegen am Menschen, außer der Materie, noch irgend etwas Unzerstörbares; so ist wenigstens a priori nicht einzusehn, daß jenes, welches die wundervolle Erscheinung des Lebens hervorbrachte, nach Beendigung derselben, jeder Einwirkung auf die noch Lebenden durchaus unfähig seyn sollte.  - Schopenhauer, Versuch über Geistersehen, in (schop)

Theologie (2) Wie Ihnen wohl nicht unbekannt ist, bin ich viel gereist. Das hat mir gestattet, die Behauptung zu erhärten, daß Reisen immer mehr oder minder eine illusorische Angelegenheit ist, daß es nichts Neues unter der Sonne gibt, daß alles ein und dasselbe ist, und so weiter, daß aber widersprüchlicherweise jedwede Skepsis, Überraschungen und neuen Dingen zu begegnen, unbegründet ist: in Wahrheit ist die Welt unerschöpflich. Als Beweis des Gesagten brauche ich nur an den Pilgerglauben zu erinnern, den ich in Kleinasien bei einem Hirtenvolk gefunden habe, das sich mit Schaffellen bekleidet und Erbe des alten Reichs der Heiligen Drei Könige aus dem Morgenland ist. Diese Leute glauben an den Traum. »Im Augenblick des Einschlafens«, erklärten sie mir, »kommst du je nach deinen während des Tages vollbrachten Taten in den Himmel oder in die Hölle.« Wenn jemand einwände: »Ich habe nie einen Schläfer aufbrechen sehen; meiner Erfahrung gemäß bleibt er liegen, bis er geweckt wird;« würden sie erwidern: »Der Wunsch, an nichts zu glauben, bringt dich dazu, deine eigenen Nächte zu vergessen wer hat nicht angenehme Träume und entsetzliche Träume gekannt? — und den Traum mit dem Tod zu verwechseln. Ein jeder von uns ist Zeuge, daß es für den Träumer eine andere Welt gibt; für die Toten ist das Zeugnis ein anderes: sie bleiben wo sie sind und verwandeln sich zu Staub.« - H. Garro, Tout lou Mond (1918), nach (bo4)

Theologie (3) Als Theologe nutzte der Dominikaner Albertus seine einzigartige Faktenkenntnis über das Leben der Tiere zur Untermauerung des Glaubens. So pocht er in seiner »Mystischen Theologie« auf die Bedeutung des Intellekts für den Glauben (fides), indem er festhält, das Sehvermögen mancher Kreatur, so der Fledermaus, werde vom Sonnenlicht außer Kraft gesetzt, während andere, zum Beispiel die Menschen, zwar kurz in die Sonne blicken könnten, da die Augen aber zu schwach seien, immerfort blinzeln müßten. Wieder andere, wie der Steinadler, verfügten dagegen über eine solche Sehkraft, daß sie mitten ins Sonnenlicht hineinschauen könnten. In ähnlicher Weise sei das geistige Schauen jener Menschen, die durch irdische Leidenschaften und sinnliche Bilder niedergehalten würden, rein materieller Art und dadurch völlig unempfänglich für göttliche Erscheinungen. So wie ihr Sehen sich jedoch von diesen Dingen weg und der geistigen Schau zuwende, werde es immateriell, und wenn es ihnen auch noch vor den Augen flimmere, da sie das Göttliche aus der Ferne erblickten, nach »Vernunftprinzipien«, werde sich doch der Blick, durch das Licht des Glaubens gestärkt, nach und nach festigen.

In seiner Theologie folgt Albertus, doctor universalis, den Worten des heiligen Paulus im ersten Korintherbrief und kommt auch Dürers unausgesprochenem Glauben nahe, Gottes Wille und Werke würden in der Natur offenbar: »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort«, doch nähern wir uns, indem wir der Schöpfung nahekommen, dem Schöpfer und bereiten uns so darauf vor, ihn »von Angesicht zu Angesicht« zu schauen. In Liebenden, so Albertus, rege sich körperliche Leidenschaft, wenn sie die geliebte Person mit den »Augen des Herzens« anschauten.  - Colin Eisler, Dürers Arche Noah. Tiere und Fabelwesen im Werk von Albrecht Dürer. München 1996 (zuerst 1991)

Theologie (4) Das Wort Stercoranisten oder Sterkorarier ist in der letzten Ausgabe der Encyclopaedia Britannica nicht zu finden; aber in der Ausgabe von 1841 ist das Wort folgendermaßen erklärt: »Stercorarianer oder Stercoranisten, gebildet aus stercus (lat. Kot), ein Name, den die Anhänger der römischen Kirche ursprünglich solchen Leuten gaben, die annahmen, daß die Hostie der Verdauung und allen weiteren Folgen unterworfen wäre, gerade wie andere Nahrung.« Diese Erklärung ist in Rees' Cyclopaedia of Arts, Sciences and Literature [1802] wörtlich übergegangen.

Der Streit über den Stercoranismus begann im Jahre 831 infolge des Erscheinens einer theologischen Abhandlung eines Mönches namens Paschasius Radbertus.

»Die grob-sinnliche Auffassung von der Gegenwart des Leibes Christi im Sakrament, nach der dieser Leib gegessen, verdaut und wie jede andere Nahrung entleert wird, ist schon alt, wenn man sie auch nicht bei Origenes und vielleicht auch nicht bei Rhabanus Maurus findet. Sie entstand sicherlich bei einer Klasse von ketzerischen Lehrern aus der Zeit oder früher als Rhabanus Maurus, den Paschasius Radbertus verdammt« [von Mosheim, 1832]. »Es ist daher gottlos, bei diesem Mysterium anzunehmen, daß es bei der Verdauung der anderen Speisen in Kot verwandeln würde« [Radbertus].

Er wendet indessen auf seine Gegner den Ausdruck »Stercoranisten« noch nicht an. Der erste, der das Wort gebraucht, ist der Kardinal Humbert, und zwar tut er es in einer Streitschrift gegen Nicetas Pectoratus, die zur Verteidigung des Azytimismus geschrieben ist, usw. Aus dieser Quelle ging das Wort in den allgemeinen Gebrauch über [Schroeckh, 1772; McClintock und Strong, 1880; Schaff-Herzog, 1881].

»Diesen Namen haben einige Schriftsteller denjenigen gegeben, die dachten, daß die Symbole des Abendmahles der Verdauung und allen ihren Folgen ebenso unterworfen wären wie die anderen körperlichen Nahrungsmittel. Das Wort ist vom lateinischen stercus (Kot) abgeleitet. Ob diese Ketzerei überhaupt vorhanden war, ist nicht allgemein anerkannt.« - (bou)

Theologie (5)  Die Erdmenschen im Untersuchungsausschuß waren in der Mehrheit und stimmten dafür, daß man jegliche Tätigkeit in Rautavaaras künstlich belebtem Hirn abbrechen sollte. Das war für uns enttäuschend, aber uns standen keine Rechtsmittel zur Verfügung.

Wir hatten den Beginn eines absolut erstaunlichen wissenschaftlichen Experiments gesehen: wie die Theologie einer Rasse auf die einer anderen aufgepfropft wird. Das Abschalten des Hirns dieses Erdmenschen war wissenschaftlich eine Tragödie. So war zum Beispiel, was die grundlegende Beziehung zu Gott betraf, die Auffassung der Erdmenschen der unsrigen diametral entgegengesetzt. Dies muß man selbstverständlich dem Umstand zuschreiben, daß sie eine somatische Rasse sind, wir dagegen Plasma. Sie trinken das Blut ihres Gottes; sie essen sein Fleisch; so werden sie unsterblich. Für sie ist das in keiner Weise skandalös. Sie finden es vollkommen natürlich. Und doch ist es für uns entsetzlich. Gläubige essen und trinken ihren Gott? Grauenvoll für uns; absolut grauenvoll. Ein Greuel, eine Schande - eine einzige Abscheulichkeit. Das Höhere sollte sich immer vom Niedrigeren ernähren; der Gott sollte die Gläubigen verzehren.  - Philip K. Dick, Der Fall Rautavaara. In: Der Fall Rautavaara. Sämtliche SF-Geschichten Band 10. Zürich 2000 (zuerst 1980)

Theologie (6) Mein Nachbar kam begeistert zurück. Was für ein Mann! Diese Augen! Und diese Ruhe ... Endlich mal einer, der einem zuhört.

Vom Konvertieren kam er ab. Jetzt wollte er Theologie studieren. Im Testament strich er bedeutsame Stellen an. Die Hauptschwierigkeiten des Studiums lägen im Sprachlichen, sagte der Pfarrer zu ihm. - Walter Kempowski, Im Block. Frankfurt am Main 1972 (zuerst 1969)

Theologie (7)  Atomistische Theologie ist mir ein Greuel. Ich kann die Geschichte der Taube lesen, die aus der Arche entlassen wurde und nicht wiederkam, und frage nicht, wie sie denn ihren Gesellen gefunden hat, der zurückgeblieben war; ich lese von der Auferstehung des Lazarus, und suche nicht zu erkunden, wo seine Seele in der Zwischenzeit weilte; mache auch keinen juristischen Casus daraus, ob sein Erbe die durch den Tod des Erblassers ihm zugefallenen Güter rechtmäßig hätte behalten können, während dieser selbst, obgleich ins Leben zurückgekehrt, jeglichen Anspruch und Rechtstitel auf seinen früheren Besitz verwirkt haben würde. Ob Eva aus Adams linker Seite geformt worden sei, ist für mich kein Anlaß zum Disput, denn bislang fehlt mir die letzte Gewißheit darüber, wo denn die rechte Seite des Menschen liegt und ob die Natur überhaupt einen derartigen Unterschied kennt; daß sie aus Adams Rippe erbaut worden ist, glaube ich wohl, doch ohne die Frage anzuschließen, wer mit dieser Rippe am Jüngsten Tag auferstehen wird. Ich achte es für eine müßige Spekulation, ob Adam ein Hermaphrodit gewesen sei, wie die Rabbiner aus dem Buchstaben der Schrift herausdisputieren wollen, da die Existenz eines Zwitters, ehe es ein Weib gab, oder die Zusammensetzung zweier Geschlechter, ehe das zweite in die Welt gesetzt war, gegen die Vernunft geht. Ebenso steht es mit der Frage, ob die Welt im Frühling, Sommer oder Herbst erschaffen worden sei — sie ist in allen miteinander erschaffen; denn in welchem Zeichen die Sonne auch steht, die vier Jahreszeiten sind immer und wirklich vorhanden. Es liegt in der Natur dieses Leuchtgestirns, die verschiedenen Zeiten des Jahres zu sondern: gleichzeitig erzeugt es sie alle, wenn man die Welt als ganze nimmt, nacheinander aber in ihren einzelnen Teilen. Es gibt ganze Bündel kurioser Fragen, die in der Philosophie wie in der Theologie aufgeworfen und von scheinbar höchst gelehrten Köpfen fleißig erörtert werden, dabei jedoch nicht einmal unserer müßigen Stunden wert sind, geschweige denn unserer ernsthaften Studien — lauter Raritäten, die einzig dazu taugen, in Pantagruels Bibliothek eingereiht und mit Tartaretus De Modo Cacandi im Verein gebunden zu werden. - Sir Thomas Browne, Religio medici. Berlin 1976 (zuerst 1642)

Theologie (8)  Es sei mir unverständlich geblieben: wie die frommen Juden sich spalten, nach ihren Rebbes. Warum hängen sie an den Rebbes? Es gibt, habe ich im Westen gehört, doch nur ein Judentum, einen Glauben. Sie lächeln freundlich am Tisch; einer nickt bekräftigend: «Eine gute Frage.» Der Rebbe ruht in sich, dann sieht er mich mit seinen sehr sanften Augen an:

«Alle haben dasselbe Ziel, das zu Gott führt. Es gibt ein großes Land. Ein König herrscht über das Land. Der König kann aber das Land nicht allein regieren; er braucht Soldaten und Generale. Das sind die Rebbes. Die Rebbes, worin unterscheiden sie sich. Sie halten sich alle an ein und dasselbe. Ein Rebbe kann die Thora verstehen hart oder weich. Man kann die Thora verstehen so und so. Es gibt eine Thora von ‹Middas haddim›: ich befehle, bis zu einer Thora: ‹Middas horachim›: ich habe Mitleid. Das ist die Interpretation. Und wer die Thora hart versteht, hat seine Anhänger; und wer sie weich versteht, hat seine Anhänger. Und das macht die Zahl der Anhänger. Die Rebbes sind Fromme und Söhne von Frommen. Jeder wählt sich den Rebbe, zu dem er Sympathie hat.»   - Alfred Döblin, Reise in Polen. München 1987 (zuerst 1925)

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