ext,
authentischer
Es kann sein, daß der authentische Text sich verbirgt unter unendlich vielen
Schichten vorgetäuschten Textes; oder daß er unter diese Schichten gemischt
ist, sodaß man ihn nicht als solchen zu erkennen vermag. Dann aber hätten wir,
im ersteren Fall auf lange Sicht, und im zweiten Fall auch jetzt, gewissen Umgang
mit dem authentischen Text; und wäre es dann nicht möglich, daß - der Natur
des Textes gemäß - durch den Einlaß zu nur einem einzigen Bruchstück uns der
gesamte Text in die Hände fiele? Vernunftvoller wäre die Vermutung, daß der
wahrhaftige Text sich anderswo befinde, sodaß wir, auf die kurzsichtige Entzifferung
unseres Gegenübers bedacht, den anderen, der vielleicht viel zugänglicher ist,
in unserem Rücken garnicht bemerken. Warum aber, so fragt man sich, diese Sucht,
den unverfälschten Text verborgen zu halten? Vielleicht weil er jeden möglichen
Kommentar Lügen straft, berichtigt, demoliert? Ist diese Verheimlichung Haß
oder Barmherzigkeit? Oder will man auf ewig eine Textwelt von Erläuterungen,
die keiner anderen Ausbeutung dient, als der seines geizigen Autors? Dies schiene
eine wertlose Begründung und daher wagen wir, auf gut Glück hinzuzufügen: daß
der authentische Text bis zur Albernheit leicht und einfach sei; daß er ins
Obszöne geht und daher eine Schmach ist für seinen eigenen Autor; daß er unweigerlich
schwierig wird, für jeden; der Hand daran legt; daß er den Autor selber Lugen
straft und beschuldigt, sei es, weil er in schmutziger Weise intim ist mit ihm,
oder sei es, weil er von einem anderen, ihm feindlichen Autor stammt; daß er
also kurzum ein offensichtliches und lachhaftes Plagiat ist, und schließlich
und endlich, daß er von solcher konzeptionellen und moralischen Nichtigkeit
ist, daß er dem Nichts textgerecht, vielmehr eine textliche Null ist. - Giorgio Manganelli, Omegabet. Frankfurt
am Main 1988 (zuerst 1969)
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