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Text, dunkler (2) Wir möchten dem Leser, den wir uns nicht nur wohlwollend vorstellen, sondern moralisch mitbetroffen oder gar mitverschworen in dem halb lästerlich-müßigen und entspannenden Unterfangen, diesen Text vernunftvoll zu lesen - wir möchten ihm also nicht verhehlen, welche generellen und spezifischen Schwierigkeiten sowohl der gedrängte und kompakte Korpus mit dem Hang zu auseinanderstrebenden, demokratischen Analysen, wie auch die einzelnen Gliederungen und Glieder in ihrem Hang zu dienstfertiger Unterwerfung unter die prunkvolle Hierarchie der Synthese bieten. Weitschweifige Rechtfertigung, in der Tat, und durchaus unaufrichtig: die enthüllt, oder vielmehr verbirgt?, die rechtfertigt, wo sie nicht anzeigt, die nur streift, wo sie nicht mittels Judensternchen hervorhebt, nämlich die verdrossene Ungeduld, die eilige Melancholie, die verstockte Schamlosigkeit, die bornierte Gelehrsamkeit des Hochmuts, die albern-elegische Mattigkeit des unfähigen Wortstopplers: Narren-Parnaß, Opferstätte ärgerlicher Tränen und unaufrichtiger Gebete zu bavenden Musen, die schlückchenweise vom verhexten Musenquell und Kamillen-Hymettus schlürfen, Eutherpen mit Zungenfehler und gichtige Thalien.
Und es besteht kein Zweifel, daß dieser Mangel an Göttlichkeit und zuständiger
Priesterämter - Porno-Episkopate, Kastalien des Tragikomisch-Historischpastoralen,
Allherrscher der Priapien — dieses Befingern einer weltlichen Schreibmaschine
oder das Beackern schneeweißen Wiesengrundes, mit neu-logischem Tinten-Kuli
schwarzen Samen säend; daß dieses zweideutige Greisengehüstel, um irgend ein
vorüberkommendes Numen aufmerksam zu machen, oder - Mit-abscheulicher-Zote -
Zündeln, damit irgendeine Musen-Magd verweile und uns seitlich beäuge, dies
Jeglichem-Hintern-Prügel-Verabreichen im Vertrauen darauf, den Arschbacken einer
Plastik-Minerva, eines matten und glatten Apoll hinterher zu sein; daß all das
die Enttäuschung vermehrt, die Gier, den Ekel, das ruchlose Beschwören einer
besseren Welt; es erhitzt die zänkischen Gemüter, verschüchtert die Verständigen,
verwirrt die Gläubigen, vertreibt die Gerüche aus dem engen Raum, der von unseren
ratlosen Weihräuchen erfüllt ist. Man lasse nun jedoch die kraftlosen, privaten
Klagereden beiseite und komme zum Auftakt des Diskurses, zur Prämisse oder vielmehr
zum Kommentar des Kommentars. Jeder Kommentar, jede Erläuterung oder auch Postille
will rechtens Text sein: den man indes als obskur beurteilt, sei es in Sprache
oder Konzept; oder, durch den Wall der notwendigen Nebenkenntnisse, schwerverständlich
und mühsam für den, der eindringen will. Er kann auch ein Text oder Ort trügerischer
Zugänglichkeit sein: wohlbekanntes Gelall oder gnostischer Kinderreim. Um solchen
Kommentar gut durchzuwalken, braucht es zeitläufige und gewiegte Philologie,
gesunde Philosophie, gute Beherrschung der historischen Dialektik, männlich-moralischen
Eifer, schnellen Blick, um ohne doktrinäre Unzucht die Strumpfhalter einer aufgeputzten
Rhetorik zu enthüllen, das Wespenmieder einer durchtriebenen Syntax. -
Giorgio Manganelli, Omegabet.
Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1969)
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