Techtelmechtel  die alten Leute im Lokal, die gegenüber jüngeren Gästen in der Überzahl waren und ständig hier zu verkehren schienen, kannten einander offenbar alle. Rottenkopf sah sie sich an, wie sie beieinander saßen, ohne sich viel um die anderen Gäste zu kümmern: zu zweit, zu dritt, zu viert an einem Tisch; zwei Männer eine Frau, zwei Frauen ein Mann, zwei Frauen zwei Männer, drei Frauen ein Mann und so weiter, die Herren in Anzügen nicht ganz nach dem neuesten Schnitt, mit dunklen, einfarbigen oder karierten Hemden, zu denen sie dunkle Schlipse trugen; die Damen in gewissermaßen recht formlosen kleidähnlichen Bekleidungen: Kleidern und Strickjacken, Röcken und Blusen oder Pullovern, die ihre schweren, tief durchhängenden Brüste nachzeichneten, einige tanzten, zwei Damen für sich, ein Herr und eine Dame, eine Dame allein, ein Herr allein, einige gingen umher, legten Sitzenden eine Hand auf die Schulter und setzten sich neben sie, legten eine Hand aufs Knie und versuchten langsam höher zu kommen, bis sie fortgejagt oder herbeigerufen wurden.

Rottenkopf dachte: was die miteinander haben, sind eigentlich richtige Techtelmechtel, er erinnerte sich all der aufregenden Querverbindungen zwischen Jungen und Mädchen, die es in der Schule gegeben hatte, es ist im Grunde genommen das Gleiche, sagte er sich, ihm fiel ein Lied ein, das den eigenartigen Refrain hatte: man steigt nach, man steigt nach, wenn ich daran denke, was wir in der Schule für Spiele hatten, dachte er. zum Beispiel: Bauern bringen ihre Stuten zum Decken; das spielten wir hinter einem großen Schuppen am Rande des Schulhofes; oder wenn ich an die Onkel Doktors denke: hatte nicht jedes zweite Mädchen seinen Onkel Doktor der dafür verantworlich war, daß bei ihm auch alles m Ordnung ging? bei dem es hinter Ladentisch oder Theke, in Wohnzimmer, Schuppen oder Stall behandelt wurde? verdiente sich nicht beinahe jeder Junge immer wieder einmal zwei oder drei Zigaretten bei einem der älteren Männer, von denen man im Bahnhofspissoir angesprochen werden konnte? er dachte: ob auf dem Strohschober oder im Schafstall, nach dem Baden im Kornfeld oder auch nur im Holzschuppen - wir hatten eigentlich schon ein richtiges Liebesleben; nicht erst seit wir achtzehn oder einundzwanzig waren, und davor kam noch das Onanieren, warum sollen alte Leute davon ausgenommen sein, nur weil sie stark auf die siehenzig gehen? weiß Gott, daß ich nie daran gedacht habe: warum sollen alte Leute kein Liebesleben haben? ich meine:

Finger auf der Haut
Lippen am Hals
Hand auf der Brust
sei sie nun faltig oder straff

Schenkel an Schenkel
rechter Hüftknochen an linkem
linker Hüftknochen an rechtem
zum Beispiel beim Tanzen oder sonstwie

zum Beispiel nahe heran treten und so tun
als müsse dieses und jenes vertraulich ins Öhrchen
gesagt sein:

komm mein Schatz
ich mach Dir was ins Öhrchen    - Peter O. Chotjewitz, Hommage à Frantek. Nachrichten für seine Freunde. Reinbek bei Hamburg 1965

 

Liebesleben

 

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