axi «Wenden Sie und fahren Sie in Richtung Lennox Avenue», befahl sie.
Er legte den Gang ein und vollführte mitten auf der Straße eine flotte Kehrtwendung.
«Ich weiß, daß Sie fahren können. Sie brauchen es mir nicht zu beweisen», sagte sie spöttisch.
Er grinste sie im Rückspiegel an und wich gerade noch einer Frau aus, die mit einem Kinderwagen die Straße überquerte. Sie hatten die Eighth Avenue hinter sich und fuhren nach Osten, als Sister Heavenly zufällig einen Plymouth wahrnahm, der auf der anderen Fahrbahn in entgegengesetzter Richtung fuhr. Gerade in diesem Augenblick schob auch der Hund auf ihrer Seite den Kopf aus dem offenen Fenster.
«Sheba!» schrie sie auf. «Wenden! Sofort!»
Der Fahrer war bis an die Kiemen berauscht und seine Nerven aufs Äußerste gespannt, und ihr plötzlicher Aufschrei erschreckte ihn zu Tode. Er wußte, daß er nicht Sheba hieß, aber er wußte auch nicht, wer Sheba war, meinte jedoch, wenn Sheba genügte, der alten Hexe, die er da herumkutschierte, Angst einzujagen, müßte ihm das auch genügen. Er hielt nicht an, um sich das bestätigen zu lassen.
Er beugte sich über das Lenkrad und wendete.
Reifen quietschten. Menschen schrien auf. Hinter ihm prallten zwei Wagen zusammen. Ein Bus, der aus der Gegenrichtung kam, bremste so scharf, daß die im Gang stehenden Fahrgäste durcheinandergeworfen wurden.
Der Mercury scherte aus und fuhr über den gegenüberliegenden Gehsteig. Ein
mitleiderregender Krüppel sprang wie ein Känguruh durch die Tür der nächsten
Bar. Eine alte Dame wurde von einem schwarzgekleideten Geistlichen umgerannt,
der schrie: «Lobet den Herrn, und rette sich, wer kann!» - Chester Himes,
Heroin für Harlem. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1966)
Taxi (2) Der Atem des Todes hatte die beiden beflügelt. Pierre winkte ein Taxi herbei. Im Wagen setzte er Elenaa auf seinen Schoß, mit dem Rücken zu ihm. Ihr Körper lag auf dem seinen und verbarg ihn völlig. Er schob ihren Rock hoch.
Elena sagte: »Nicht hier, Pierre, warte doch, bis wir zuhause sind! Man kann uns beobachten. Bitte warte, Pierre! Du tust mir weh! Der Polizist hat uns angestarrt. Und jetzt müssen wir hier warten. Die Passanten auf dem Gehsteig können uns sehen. Pierre, Pierre, hör doch auf!«
Sie strampelte, wollte heruntergleiten, aber die Lust hatte auch sie gepackt.
Sie mußte stillsitzen, und das wiederum ließ sie jede von Pierres Bewegungen
deutlicher spüren. Sie fürchtete, er könnte womöglich schneller machen, denn
das Taxi war wieder angefahren, würde bald vor der Haustür halten und der Fahrer
würde sich nach ihnen umdrehen. Sie aber wollte Pierre in Ruhe genießen, ihre
Bindung an ihn und die Harmonie ihrer Körper erneut bestätigt haben. Vom Gehsteig
aus beobachtete man sie. Doch sie konnte sich nicht freimachen, denn Pierre
hielt sie fest umschlungen. Dann aber fuhr der Wagen über ein Schlagloch, und
der Ruck riß sie auseinander. Das Taxi hielt. Pierre konnte sich gerade noch
zuknöpfen. - (
nin
)
Taxi (3)
Taxi (4)
REDE DES TAXIFAHRERS Der Gast wollte die Abkürzung nehmen, |
-
Michael
Krüger, Wettervorhersage
. Salzburg 1998
Taxi (5) Ich wohnte damals in einer Neubau-Siedlung weit draußen im Norden von Berlin und war gezwungen, ein Taxi zu nehmen. Dem Fahrer, der sich in dem Neubaugelände nicht auskannte, beschrieb ich nur von ungefähr die Zufahrtswege und die Straße; er wird mich für stark angetrunken gehalten haben. Wir fuhren durch die Nacht eine lange Strecke, zuletzt über offenes noch unerschlossenes Gelände. Die Lichter kamen nur noch in größeren Abständen und fielen schließlich völlig aus. Trotzdem - das war der richtige Weg, und nach ganz kurzer Zeit wären wir auch wieder auf bereits beleuchtetes Gelände gestoßen. Dem Fahrer muß alles äußerst verdächtig vorgekommen sein. Ich konnte sozusagen seine Gedanken hören, wie er zu mir sprechen wollte und sich selbst bereits die Fragen beantwortete. Fragen und Antworten überstürzten sich in seinem Hirn.
Er fuhr den Wagen an den Rand der dunklen Straße, hielt an, stieg aus - dies alles konnte ich beobachten wie einen ablaufenden Film -, riß die Tür auf und zerrte mich aus dem Wagen. Das Abrupte und die Heftigkeit der Bewegung ließ mich stolpern. Ich fiel auf den Boden der Straße, und der Mann stürzte sich über mich. Hob mich an den Schultern hoch und drückte mich wieder zu Boden, hoch und nieder, immer gewaltsamer; das Gesicht wutverzerrt.
Ich sehe dieses Gesicht manchmal vor mir. Der Mann war völlig aus dem Gleichgewicht und von Sinnen. Er war drauf und dran, mich totzuschlagen. War es ihm plötzlich eingefallen, mich zu berauben? Hatte er einfach Angst, daß ich nur vorgeschoben sei, um ihn in eine Falle zu locken? - am Ende der Reise werden die anderen über ihn herfallen — — — Es war sicherlich nicht ein Zeichen besonderen Mutes und von Unerschrockenheit, mehr einfach die automatische Reaktion des Augenblicks, daß ich ihn fast unbeteiligt und mit gleichgültiger Stimme fragte: „Was ist denn? Was wollen Sie eigentlich?" Ich habe mich nicht gewehrt, ich habe mich überhaupt nicht gerührt, ich werde sogar vielleicht etwas verlegen gelächelt haben. Der Mann hielt inne, sein Atem ging keuchend wie nach einer Arbeit, die über die eigenen Kräfte geht. Ich fügte noch hinzu: „Sie sehen schon da vorn die Lichter. Dort ist es dann nur ein paar Schritte. Und ich kann Sie erst in der Wohnung bezahlen, ich habe das Geld nicht bei mir" - - - so leise und unbetont, daß er nur die Hälfte verstanden haben wird.
Der Mann ließ von mir ab. Drehte sich und stieg wieder in den Wagen. Ohne ein Wort zu sprechen. Ich war inzwischen hochgekommen und nahm gleichfalls wieder hinten im Wagen Platz. Wir fuhren noch eine kurze Strecke. Der Wagen hielt vor dem Haus.
Ich sagte dem Fahrer, er solle mit nach oben in die Wohnung kommen, ich würde ihm dort das Fahrgeld geben. Aus dem Mann war jede Aktionsfähigkeit gewichen. Was immer ihn bewogen haben mag, in der Mischung von Impulsen, das war weg; er hatte sich bereits aufgegeben. Er zögerte noch für Sekunden, bevor er die Treppe vor mir nach oben stieg. Und das war alles, was ich hätte beobachten können. Gesprochen hat er nicht. Dieses Erlebnis ist mir sehr lange gegenwärtig geblieben, und auch heute noch in der Erinnerung frisch wie am ersten Tage. Was wäre geschehen, wenn ich mich gewehrt oder um Hilfe gerufen hätte? - ich nehme an, ich hätte damit die Panik ausgelöst, die ohne Unterschied aggressiv sein wird. Akzente wie dieser, regeln die normalen Beziehungen von Person zu Person und von Gruppe zu Gruppe innerhalb unserer Gesellschaft. Oben in der Wohnung habe ich die Frau, die wir aufgeweckt hatten, gebeten, Kaffee zu kochen. Der Mann saß auf dem Stuhl, unfähig scheint's auch nur für den Gedanken, wie sich zu benehmen und was zu tun in einer solchen Lage. Es wird ihm heiß gewesen sein, und er würde sich kaum gerührt haben, wenn ich jetzt die Polizei gerufen hätte. Vielleicht hatte er sich schon damit abgefunden und sich bereits eine Erklärung zurechtgelegt. Wir selbst haben darüber nicht gesprochen. Er blieb sehr einsilbig, als ihm die Frau mit ein paar freundlichen Worten den Kaffee brachte. Ich zahlte den Fahrpreis und ein entsprechendes Trinkgeld. Als wäre nichts geschehen.
Der Mann ist sehr bald gegangen, nicht sehr forsch, eher wie ein verprügelter
Hund. Kann nur vermuten, was er sich in diesem Augenblick gedacht hat. Er hätte
sich aussprechen sollen oder kämpfen, sich seinerseits wehren, und vor allem
das zu Ende zu führen, was er, wenn auch nur für Augenblicke, sich vorgenommen
hatte. Ich bin ihm allerdings auch nicht entgegengekommen. Ich blieb stumm und
unbeteiligt, und wir haben uns für einige Minuten gegenübergesessen, ohne uns
anzusehen. Als er gegangen war, ist mir dann sehr übel geworden. Als wäre ich
wirklich halbtot geschlagen worden. - Franz Jung, Der Weg nach
unten. Aufzeichnungen aus einer großen Zeit. Salzhausen 1979 (zuerst 1961)
Taxi (6) Der gefräßige Kater-Vater
und ich fuhren in ungeduldiger Erwartung unseren Allesgeliebten abholen.
Die Schwester brachte ihn heraus und gab ihn dem gefräßigen Kater, ich steckte
ihr einen Dreirubelschein zu, wie es sich gehört, und erwischte gleich ein leicht
ramponiertes Taxi, das eine einsame Spätgebärende mit hochrotem Kopf vor der
Entbindungsklinik absetzte. Man hätte sie zur Tür bringen müssen, diese unförmige,
zusammengekrümmte Frau, die auf eingeknickten Beinen ihr einsames Köfferchen
mit der Babyausstattung trug. Aber der Mensch ist immer erst hinterher klüger,
und ich war so froh über das freie Taxi, daß ich die einsame werdende Mutter
in der Rage fast umgerannt hätte, und dafür kriegte ich als Gegengabe einen
Rücksitz voll Wasser. Ich gab dem Fahrer sofort Bescheid, er stieg schweigend
aus und begann das Innere seines schäbigen Autos mit einem Lappen zu säubern,
wobei er jener zusammengekrümmten werdenden Mutter ein paar kräftige Worte nachschickte,
der bestimmt schon das Köpfchen des Kindes auf den Damm drückte, so ohnmächtig
lief sie, gekrümmt, mit ihrem alten, ärmlichen Koffer in der Hand. Ich muß jetzt
immer an sie denken, ich träume davon, daß ich sie gesund und munter mit ihrem
Kind treffe. Aber damals war sie ganz fleckig im Gesicht und konnte kaum krauchen,
wie eine Schildkröte. Wenn das Kind am Leben geblieben ist, ist sie jetzt bestimmt
ein stämmiges Weib knapp über Vierzig, und das Kind ist auch schon sechs, wenn
, es am Leben geblieben ist. Mütter, Mütter. Ein heiliges
Wort. Aber weder ihr könnt dem Kind später davon erzählen, noch das Kind euch.
Liebst du dein Kind -wird es dich quälen, liebst du es nicht - verläßt es dich
auch. - Ljudmila Petruschewskaja,
Meine Zeit ist die Nacht. Aufzeichnungen auf der Tischkante. Berlin 1991
(zuerst 1990)
Taxi (7)
Taxi (8) Der indische Roadtaxichauffeur hat neun Söhne.
Zwei davon besuchen die höhere Schule.
Er ist 45.
Gelegentlich treibt er es wohl einmal mit einem Mädchen, aber
nie im Wagen. Er geht dazu in den Busch am Strassenrand.
Er will den Wagen nicht beschmutzen und glaubt, dass Gott zur
Strafe einen Verkehrsunfall schicken würde.
Oral und anal hat er es noch nie getrieben.
Er verachtet die Neger.
Ein Neger würde mit einer Frau, die ihm über den Weg läuft, vielleicht 50 TTDollar am Abend ausgeben, während er, der Inder, hinterher von der Frau noch die 25 Cents für die Fahrt kassierte.
Und deshalb würden die Inder vorankommen und die Neger es nie zu etwas bringen.
Er verehrt Adolf Hitler, weil er gegen die Neger war.
Ein Neger, der später einsteigt, verehrt Adolf Hitler auch, weil er gegen die Juden war. Und gegen die Juden zu sein ist gut, denn Idi Amin ist gegen die Juden.
Dass Hitler sich bei den Olympischen Spielen weigerte, Jesse Owens die Hand zu geben, ist hier unbekannt.
Der Inder findet, die Welt braucht einen Krieg.
Der Krieg räumt mit Kriminalität, Rauschgift, Hunger auf. - (xan)
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