arantella Im
Volksmund gilt das räuberische Tier als ausgesprochen giftig. Aber das ist eigentlich
Rufmord, dem wir hier energisch entgegentreten wollen. Mit seiner Größe von
etwa zwei bis drei Zentimetern ist das Krabbeltier zwar nicht sonderlich beeindruckend,
aber es produziert tatsächlich Gift. Normalerweise begegnet man dem in Europa
lebenden Insektenjäger auch nicht gerade auf Schritt und Tritt, da es verborgen
in Erdhöhlen lebt, die es nur nachts verläßt. Wird ein Mensch gebissen, so können
Schmerzen und Entzündung schon unangenehm sein, doch tödlich ist das Gift nicht.
- Im Mittelalter entstand in einer südeuropäischen Stadt ein eigenartiger Mythos
um diesen »Giftzwerg«. Immer wieder kamen Reisende, die gebissen worden waren,
in die Stadt. Sie verfielen in Zuckungen und Bewegungen,
die dem Veitstanz ähnelten. Priester heilten die
Kranken, indem sie ihnen stundenlang auf der Geige zum
Tanz vorspielten, bis sie erschöpft zusammenbrachen. Danach pflegten mitleidige
Seelen die Genesenden einige Tage lang, bis sie geheilt waren und weiterreisen
konnten. - (
nat
)
Tarrantella (2) Sie erschraken, als Fabel ins Zimmer trat, und stürmten mit wüthendem Geschrey auf sie ein, um an ihr den Grimm auszulassen. Fabe! schlüpfte hinter die Wiege, und ihre Verfolger traten ungestüm in das Gewebe der Taranteln, die sich durch unzählige Bisse an ihnen rächten. Der ganze Haufen fing nun toll an zu tanzen, wozu Fabel ein lustiges Lied spielte. Mit vielem Lachen über ihre possierlichen Fratzen ging sie auf die Trümmer des Altars zu, und räumte sie weg, um die verborgene Treppe zu finden, auf der sie mit ihrem Tarantelgefolge hinunter stieg. Die Sphinx fragte:
Was kommt plötzlicher, als der Blitz? - Die Rache, sagte Fabel. - Was ist am vergänglichsten? - Ungerechter Besitz. - Wer kennt die Welt? - Wer sich selbst kennt. - Was ist das ewige Geheimniß? - Die Liebe. - Bei wem ruht es? - Bei Sophieen. Die Sphinx krümmte sich kläglich, und Fabel trat in die Höhle.
Hier bringe ich euch Taranteln, sagte sie zu den
Alten, die ihre Lampe wieder angezündet hatten und sehr ämsig arbeiteten.
Sie erschraken, und die eine lief mit der Scheere auf sie zu, um sie zu erstechen.
Unversehens trat sie auf eine Tarantel, und diese stach sie in den Fuß. Sie
schrie erbärmlich. Die andern wollten ihr zu Hülfe kommen und wurden ebenfalls
von den erzürnten Taranteln gestochen. Sie konnten sich nun nicht an Fabel vergreifen,
und sprangen wild umher. Spinn uns gleich, riefen sie grimmig der Kleinen zu,
leichte Tanzkleider. Wir können uns in den steifen Röcken nicht rühren, und
vergehn fast vor Hitze, aber mit Spinnensaft mußt du den Faden einweichen, daß
er nicht reißt, und wirke Blumen hinein, die im Feuer gewachsen sind, sonst
bist du des Todes. Recht gern, sagte Fabel. - Novalis, Heinrich
von Ofterdingen (Klingsohrs Märchen)
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