'ao-t'ieh
Die Dichter und
die Mythologie schenken ihm keine Aufmerksamkeit; aber jeder von uns hat
ihn irgendwann - mit einem Gefühl leichten Unbehagens - an der Ecke
eines Kapitells oder in der Mitte eines Frieses entdeckt. Der
Hund, der die Herden des dreigestaltigen Geryoneus
behütete, hatte zwei Köpfe und einen Rumpf, und glücklicherweise
tötete Herakles ihn; der T'ao-t'ieh macht es umgekehrt und ist noch
schrecklicher: zwei Körper hängen an seinem riesigen Haupt, einer
rechts und einer links. Er hat im allgemeinen sechs Beine, denn die vorderen
dienen für beide Rümpfe. Sein Gesicht kann das eines Drachen, eines
Tigers oder eines Menschen sein; "Ogermaske" nennen ihn die Kunsthistoriker.
Er ist ein formales Ungeheuer, das der Dämon der Symmetrie den Bildhauern,
Töpfern und Keramikern eingegeben hat. Vierzehnhundert Jahre vor der
christlichen Zeitrechnung, in der Dynastie der Shang, erscheint er bereits
auf rituellen Bronzebildwerken.
T'ao-t'ieh bedeutet Vielfraß. Die Chinesen
malen sein Bild auf das Eßgeschirr, um Mäßigkeit zu lehren.
- (bo)