anzvergnügen  »Mein Gott!« flüsterte O'Malley in Cranes Ohr. »Was ist 'n das für 'n Laden?« Seine Hand tat Crane auf der Schulter weh. »Was haben die Puppen bloß an?« Er schob sich neben Crane. »Um Himmels willen, sieh sie dir an!«

Crane sah sie sich an. Er schüttelte den Kopf, sah sie sich nochmal an. »Entweder, wir haben Röntgenaugen oder die Mädels da tanzen in ihrer Unterwäsche

Sie entschieden sich schließlich dafür, daß die Mädchen in ihrer Unterwäsche tanzten. Jede trug einen Büstenhalter, Seidenslip, Seidenstrümpfe und hochhackige Schuhe. Bei allen sah man nackte Haut von der Brust bis zu den Hüften und vom oberen Drittel des Oberschenkels bis zum Knie. Die Männer waren meistens Filipinos, und sie waren alle vollständig angezogen.

Crane fühlte sich ernüchtert und ein bißchen angewidert. Trotzdem bemerkte er, daß einige der Mädchen ziemlich hübsch waren. O'Malley sagte nicht, wie er sich fühlte. Er winkte eine große Blonde heran, die mit einem rothaarigen Mädchen tanzte, legte dreist den Arm um ihre nackte Taille und stürzte sich in die Menge auf der Tanzfläche. Crane bemerkte, daß die Blonde im Gesicht und auf dem Rücken Pickel hatte. Allerdings hatte sie eine gute Figur.

Das rothaarige Mädchen kam zu ihm herüber, fragte: »Wie wär's. Süßer?« Sie war ein bißchen dicklich, und im Gesicht hatte sie eine dicke Schicht Puder und Rouge. Sie trug einen grünen Seidenslip.

Crane sagte:» Klar.« Seine rechte Hand ruhte auf einem warmen Fleischwulst genau über ihren Hüften; seine linke Hand, die ihre rechte hielt, wurde augenblicklich feucht. Er sagte: »Es ist heiß, nicht?« Sie bewegten sich auf die Tanzfläche, und sogleich fragte er: »Du mußt doch nicht so tanzen, oder?«

Sie sagte: »Was ist los ? Magst du mich nicht?«

»Ich bin verrückt nach dir«, sagte er. »Ich will nur nicht so tanzen.«

Unter der dicken, blauschwarzen Mascaraschicht blickten ihre Augen überrascht und wütend. »Okay«, sagte sie. »Es ist dein Geld.«

Sie erwies sich als gute Tänzerin, und sie bewegten sich leicht über die Tanzfläche, sausten an anderen Paaren vorbei und wirbelten bei den Drehungen nur so herum. Als das Stück zu Ende war und sie von ihm weggehen wollte, hielt er sie an der Hand fest.

»Das war nicht schlecht«, sagte er. Er gab ihr fünf von den gelben Tickets. »Wie wär's mit noch einem?«

Sie sah ihn kalt an, aber sie ließ ihre Hand in seiner.

Das Orchester begann, ›My Disposition Depends on You‹ aus Hit the Deck zu spielen, und er legte seinen Arm wieder um ihre Taille. Er tanzte immer gut, wenn er betrunken war, und außerdem schien die Musik vorzüglich zu sein. Er fragte sich, ob er das auch nüchtern so empfunden hätte. Der Trompetenspieler hatte lange schwarze Haare, und sie fielen ihm über die Augen, wenn er sich nach vorn über sein Instrument beugte, und dann fielen sie ihm hinter die Ohren, wenn er es zur dunklen Decke hob. Er spielte mehrere wilde, schwungvolle Variationen, und als das Orchester zu dem Teil des Liedes kam, wo es heißt:

»Sometimes I'm happy,
Sometimes I'm blue,
My disposition
Depends on you...«,

improvisierte er beim ›you-uuu‹ mit so traurigen, melancholischen Tönen, daß William Crane ein Schauer über den Rücken lief.

Hingerissen verlangsamte er den Tanzrhythmus, beobachtete den Mann. »Der kann spielen! «sagte er.

»Er spielt 'ne fetzige Trompete«, stimmte das rothaarige Mädchen zu, »aber du solltest mal hören, wie der Junge am Saxophon swingt, wenn er in der richtigen Stimmung ist.« Ihre Stimme war freundlicher.

Während sie weitertanzten, beobachtete Crane die anderen Paare. Sie bewegten die Füße sehr wenig, schlurften auf einer Stelle herum, manchmal mit den Händen an der Seite wie in der üblichen Tanzsaal-Manier, aber häufiger lagen die Arme der Frau um den Nacken des Mannes, und seine um die bloße Taille der Frau, Freistil. Die Frauen starrten über die Schulter ihrer Partner, mit versunkenem Gesichtsausdruck, nachdenklich, selbstvergessen, während die Männer meistens hinunter auf die Gesichter der Frauen starrten.  - Jonathan Latimer, Leiche auf Abwegen. Zürich 1988 (detebe 21592, zuerst 1936)

Tanzvergnügen (2)  Gegen Abend wateten sie erneut durch den Fluß und tauchten in das Getümmel spuckender, schwitzender und hin und her wogender Menschen ein. Das Orchester spielte eine Musik, bei der jeder Musiker ohne Rücksicht auf die Mitspieler seinem eigenen Tempo folgte. Staub wirbelte auf, so daß die Tänzer von den Knien abwärts nicht zu sehen waren. Dennoch tanzten sie verbissen weiter und holten aus ihren jeweiligen Partnern so viel Schweiß wie möglich heraus. Es roch enorm.  - (fran)

Tanzvergnügen (3)    Ich stehe am Geländer, das die Tanzfläche abgrenzt, und sehe zu, wie sie herumsegeln. Das ist kein harmloses Vergnügen... das ist ein ernstes Geschäft. An jeder Seite der Tanzfläche ist ein Schild mit der Aufschrift: «Unzüchtiges Tanzen nicht gestattet» angebracht. Schön und gut. Warum sollte man nicht an jeder Seite der Tanzfläche ein Schild anbringen. In Pompeji hängte man vermutlich einen Phallus auf. Dies ist die amerikanische Variante. Sie bedeutet das gleiche. Ich darf nicht an Pompeji denken, sonst setze ich mich hin und schreibe ein Buch. Bleib im Verkehr, Henry. Bleib mit den Gedanken bei der Musik. Ich bemühe mich, mir vorzustellen, wie schön es wäre, wenn ich Geld für einen Streifen Tanzbons hätte, aber je mehr ich mich bemühe, desto tiefer falle ich zurück. Schließlich stehe ich knietief in den Lavamassen, und das Gas droht mich zu ersticken. Nicht die Lava hat die Pompejaner getötet, sondern die Giftgase, die den Ausbruch hervorriefen. Deshalb hielt die Lava sie in so seltsamen Posen fest, beispielsweise mit heruntergelassenen Hosen. Wenn plötzlich ganz New York so festgehalten würde - was für ein Museum gäbe das! Mein Freund MacGregor, sich am Waschbecken den Pint schrubbend... die Abtreiber von der East Side, auf frischer Tat ertappt... die Nonnen, im Bett liegend und sich gegenseitig befriedigend ... der Auktionator mit einem Wecker in der Hand... die Telefonfräulein am Klappenschrank ... J. P. Morganana auf der Toilette sitzend und sich gemächlich den Hintern wischend ... Bullen mit Gummiknüppeln bei einem Verhör dritten Grades... Stripperinnen, die gerade den letzten Slip strippen ...

Ich wate bis an die Knie in den Lavamassen, und meine Augen sind von Sperma verklebt. J. P. Morganana wischt sich gemächlich den Arsch, während die Telefonfräulein am Klappenschrank stöpseln, Bullen mit Gummiknüppeln den dritten Grad verabfolgen, mein alter Freund MacGregor die Kokken aus seinem Piephahn schrubbt, ihn mit Salbe einreibt und unter der Lupe untersucht. Jeder mit heruntergelassenen Hosen überrascht, einschließlich der Stripperinnen, die keine Hosen, keine Bärte, keine Schnurrbärte tragen, sondern nur einen kleinen Flicken, die ihre zwinkernden kleinen Mösen bedecken. Schwester Antolina liegt im Klosterbett, das Bruchband umgeschnallt, die Arme in die Seite gestemmt, auf die Auferstehung wartend, wartend, wartend auf ein Leben ohne Leistenbruch, ohne Geschlechtsverkehr, ohne Sünde, ohne Böses, während sie ein paar Hundekuchen knabbert, eine Pfefferschote, ein paar gefüllte Oliven, ein bißchen Preßkopf. - Henry Miller, Wendekreis des Steinbocks, Reinbek bei Hamburg  1972 (zuerst 1939)

 

Vergnügen Tanzen

 

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