Tambourmajor  Ich stand vor Kindern, die sich in militärischer Ordnung unbeweglich auf den Stufen des Theaters aufgestellt hatten: sie trugen kurze schwarze Cordhosen, mit Achselschnüren geschmückte Jäckchen, sie waren barhäuptig; rechts standen die Querpfeifer, links die Trommler.

Sie spielten mit solcher Intensität, in so schneidendem Rhythmus, daß ich atemlos vor ihnen stehenblieb. Nichts Trockeneres als dieses Trommeln, nichts Ätzenderes als die Querpfeifen. Alle diese Nazikinder (einige waren blond und hatten ein Puppengesicht), die in der Nacht vor dem unendlich weiten Platz im strömenden Regen für ein paar spärliche Passanten spielten, standen stocksteif da, als seien sie die Beute einer Weltuntergangsstimmung: vor ihnen schlug ihr Anführer, ein Junge von krankhafter Magerkeit mit einem bissigen Fischgesicht (ab und an drehte er sich um, um Befehle zu bellen, er röchelte) den Takt mit dem langen Stab eines Tambour-Majors. Mit obszöner Gebärde stützte er diesen Stab mit dem Degenknauf auf den Unterleib (und dann ähnelte dieser Stab dem mit Tressen und bunten Schnüren geschmückten überdimensionalen Penis eines Affen); mit dem Ruck eines kleinen schmutzigen Rohlings hob er dann den Knauf bis in Mundhöhe. Vom Bauch zum Mund und vom Mund zum Bauch, und jede ruckartige Bewegung abgehackt durch einen Trommelwirbel. Dieses Schauspiel war obszön. Es war erschreckend: wäre ich ausnahmsweise nicht so kaltblütig gewesen, wie hätte ich stehenbleiben und diese haßvollen Mechanismen so ruhig ansehen können, als hätte ich vor einer steinernen Wand gestanden? Jedes Aufheulen der Musik in der Nacht war eine Beschwörung, die nach Krieg und Mord schrie.    - (bat)

 

Militärmusik

 

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