Talentprobe   Unser Held warf sich auch auf die Malerei; mehre reitende Potentaten saßen oder vielmehr lagen ihm, wenn er mit einer Gabel alle ihre Züge so durchfuhr, daß ein fettiges Rußblatt unter ihnen sie mit der Kehrseite treffend auf einem weißen Blatte nachdruckte. Ob er nicht zu einem zweiten Raphael Mengs, den man nicht wie den ersten zu dem Malen hin, sondern von ihm weg zu prügeln hatte, unter einem andern Sonnenstande aufgeschossen wäre, weil sich daraus etwas vermuten lasse, daß er nach dem Geschenke eines Farbenkästchens den ganzen orbis pictus (die gemalte Welt) nach dem Leben durchgefärbt, das im Kästchen war, sollt' ich vor der Hand nicht glauben, so farbig auch in seiner Erinnerung die ersten rotgefleckten Lederbälle und die viereckten roten Ziegel und die von ihm geformten Schiefer und die herrlichen Farbenmuscheln im Kästchen und die grünlichen Goldkäfer noch nachschimmern.

Es wäre nur um etwas weniges richtiger als wenn man aus seiner Kunst, im Winter Heringe zu machen, auf einen künftigen großen Kameralkorrespondenten schließen wollte. Sein Kunstgriff nämlich, sich auf dem Lande den Hering zu ersetzen in solcher Ferne von der Küste, bestand darin, daß er, wenn er Semmel holen mußte, in den Bach watete und leise einen Stein aufhob, worunter eine Grundel oder ein noch kleineres Fischchen zu fangen war. Diese tat er in einen ausgehöhlten Krautstrunk (er stellte eine Heringtonne vor) und salzte sie gehörig ein und so hätt' er, sobald das Tönnchen voll war, Heringe zu essen gehabt, wenn nicht alles gestunken hätte. Nicht besser, sondern noch schlechter würden zu Vorläufern eines kleinen Kameralkorrespondenten Surrogat-Erfindungen wie solche sich eignen, daß er braun getrocknete Birnhälften für kleinere Schinken, in Scherben gebratene abgeschnittene Taubenfüße für ein fertiges Essen gab oder daß er Schnecken auf die Weide trieb.  - Jean Paul, Selberlebensbeschreibung

Talentprobe (2)  Er zeigte mir seine Bücher und seine sieben Romane.
Alle Romane handelten von Kämpfen, Belagerungen und Königen. »Das Zeug ist noch von früher«, sagte er.

Er erlaubte mir, die Violine zu nehmen und Katzenmusik zu machen.

Wir saßen auf einem Sofa am Fenster und unterhielten uns, als ob wir uns schon immer gekannt hätten. Würden die Swans die Spttrs schlagen? Wann können Mädchen Kinder bekommen? War Arnotts Durchschnitt im letzten Jahr besser als Clays?

»Das ist mein Vater, dort draußen auf der Straße«, sagte er. »Der große, der mit den Armen wedelt.«

Zwei Männer standen im Gespräch auf den Straßenbahnschienen. Mr. Jenkyn sah aus, als ob er versuchte, die Eversley Road hinabzuschwimmen, teilte mit den Händen die Luft und trat mit den Füßen den Boden, und dann humpelte er und zog eine Schulter hoch.

»Vielleicht beschreibt er einen Kampf«, sagte ich.

»Oder er erzählt Mr. Morris eine Geschichte über Krüppel«, sagte Dan. »Kannst du Klavier spielen?«

»Akkorde krieg ich hin, aber keine Melodien«, sagte ich.

Wir spielten mit gekreuzten Händen ein Duett.

»Und wer hat diese Sonate geschrieben?«

Wir erfanden einen Dr. Percy, der der größte Komponist der Welt für vierhändige Klavierstücke war, und ich war Paul America, der Pianist, und Dan war Winter Vaux.

Ich las ihm ein Übungsbuch voller Gedichte vor. Er hörte weise zu, wie ein hundertjähriger Junge, den Kopf auf die Seite gelegt und mit wackelnder Brille auf seiner geschwollenen Nase. »Dies hier heißt ›Krümmung‹«, sagte ich.

Wie Sonnen rot vor fließenden Tränen,
Fünf Sonnen im Glas,
Zusammen, doch einzeln, doch einzeln rund,.
Rot vielleicht, aber das Glas ist blaß wie Gras,
Gleiten ohne Laut zum Grund.
In eins, fünf lidwache Tränen, Sonnen, salzig doch,
Fünf undurchdringliche Speere im Kopf,
Jede Sonne nur em Leiden,
Bohren vielleicht, ein Schmerz, den Haß verlassen,
Fünf in eins, der eine aus fünf in eine, frühe
Sonnen zu spät entstellt.
Alle, wahnsinnig und verlassen,
Umsponnen mit dem Gewebe der Fünf, kreisen jetzt,
Weit und schäumend, wild und verlassen,
Sausen hinab - tauchen ab. Eine der Fünf ist die Sonne,

Das Geräusch der Straßenbahnen ratterte am Haus vorbei bis zum Meer oder weiter noch, in die ausgebaggerte Bucht. So hatte mir noch nie jemand zugehört. Die Schule war verschwunden und hatte auf dem Mount-Pleasant-Hügel ein tiefes Loch hinterlassen, das nach Garderobenräumen und Umkleidemäusen roch, und Warmley leuchtete im Dunkel einer Stadt, die ich nicht kannte. In dem stillen Zimmer, das mir niemals fremd gewesen war, während wir mit geschwollener Nase und einäugig in Haufen farbiger Wolle saßen, bestätigten wir uns unsere Begabungen. Die Zukunft erstreckte sich über die Fenster hinaus, über den Singleton Park, bevölkert mit eifrigen Liebespaaren, und bis hinein ins rauchige London, das mit Gedichten gepflastert war. - (hund)

Talentprobe (3)  Andrej Andrejewitsch hatte sich folgende Geschichte ausgedacht.

In einem alten Schloß wohnt ein Prinz, ein mordsmäßiger Trinker. Die Frau dieses Prinzen dagegen trinkt nicht einmal Tee, nur Wasser und Milch. Ihr Mann aber trinkt Wodka und Wein, Milch nicht. Dabei trinkt sie eigentlich auch Wodka, nur daß sie es verheimlicht. Ihr Mann aber ist ein frecher Hund und verheimlicht es nicht. »Ich trinke keine Milch, ich trinke Wodka!« sagt er bei jeder Gelegenheit. Sie jedoch zieht in aller Stille das Fläschchen unter der Schürze hervor, und gluck!, nun ja - trinkt. Ihr Mann, der Prinz, sagt: »Du könntest mir was abgeben.« Seine Frau, die Prinzessin, sagt: »Nein, ich habe selbst nicht genug. Kriä!« - »Ach du -Ampe!« sagt der Prinz. Und mit diesen Worten, batsch, haut er seine Frau auf den Fußboden. Seine Frau liegt auf dem Fußboden und weint, den ganzen Rüssel hat sie sich aufgeschlagen. Der Prinz aber hüllt sich in seinen Umhang und begibt sich auf seinen Turm. Dort hat er Käfige aufgestellt. Er züchtet dort Hühner, müssen Sie wissen. Der Prinz kommt also auf den Turm, dort spektakeln die Hühner, wollen Futter. Ein Huhn fängt sogar an zu wiehern. »Na warte, du«, sagt der Prinz, »Chante-clair! Halt den Rand, sonst kriegst du was in die Zähne!« Das Huhn versteht aber keine Wörter und wiehert weiter. Und das Ende vom Lied - das Huhn spektakelt auf dem Turm, der Prinz flucht auf Teufel komm raus, und seine Frau unten liegt auf dem Fußboden, kurz, das reinsre Sodnm

Solch eine Geschichte hatte sich Andrej Andreje-witsch ausgedacht! Schon anhand dieser Geschichte läßt sich sagen, daß Andrej Andrejewitsch ein großes Talent ist. Andrej Andrejewitsch ist ein sehr kluger Mensch. Ein sehr kluger und sehr guter!  - (charms)

 

Talent

 

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