üßigkeiten
Von allen Seiten tauchen sie auf, überall in diesem beängstigenden Bauwerk,
versammelt in Gruppen, allein meditierend, die Bilder betrachtend, die Bücher
und Ausstellungsstücke. Es scheint ein sehr verzweigtes Museum
zu sein, ein Ort von vielen Ebenen, mit neuen Flügeln, die aus sich herauswuchern
wie lebendiges Gewebe - doch selbst wenn all dies einer endgültigen Gestalt
entgegenwachsen sollte, vermag sie hier im Inneren niemand zu erkennen. Einige
der Säle dürfen nur auf eigene Gefahr betreten werden, und Wächter stehen an
allen ihren Zugängen, um das unmißverständlich klarzumachen. Die Bewegungen
in diesen Passagen finden völlig reibungslos statt, gleitend und schnell, vorwärts
jagend oft wie auf perfekten Rollschuhen. Teile der langen Galerien sind zur
See hin offen. Da gibt es Cafés, in denen man sitzen und die Sonnenuntergänge
beobachten kann - oder die Aufgänge, je nach den Stunden der Schichtwechsel
und Symposien. Phantastische Kuchenwagen kommen vorbeigerollt, groß wie Lastzüge:
man muß in sie hineingeben, um die unzähligen Regale zu studieren, jede Etagere
klebriger und süßer als die vorherigen. Konditoren lauern mit Eiskremkellen
in der Hand, um aus den leisesten Winken der sacharomanen Kundschaft Baked Alaskas
von beliebigem Ausmaß und Aroma zu komponieren und behende in die Öfen zu stürzen...
da gibt es Schiffe aus Baklava, bis an den Rand gefüllt mit bayerischem Schlagrahm,
gekrönt mit geraspelter Bitterschokolade, Mandelsplittern und Kirschen von der
Größe von Ping-Pong-Bällen; Popcorn in zerlassenen Marshmallows und Butter;
tausenderlei verschiedene Sorten Fondants, von Lakritze bis Eischaum, die auf
die flachen Steintische geklatscht werden - und fädenziehende Karameltoffees,
die sich, von Hand entrollt, um Ecken, durch Fenster, in fernste Korridore hinein
erstrecken: äh, Verzeihung, Sir, könnten Sie mir das wohl einen Augenblick lang
halten? Vielen Dank - der Spaßvogel ist verschwunden, und Pirat Prentice, eben
erst angekommen und noch ein wenig verstört von all dem Neuen hier, hat einen
Toffeeklumpen in der Hand, dessen anderes Ende überall und nirgends sein kann
... tja, eigentlich könnte er dem Faden folgen
... mit etwas gequältem Gesichtsausdruck ins Ungewisse, Toffeefäden meterweise
aufwickelnd, hin und wieder stopft er sich auch ein Stück in den Mund - mhm,
Erdnußbutter und Melasse -, tja, und bald kriegt er spitz, daß sein labyrinthischer
Pfad, ganz wie die Route One, wo sie sich durch das Herz von Providence schlängelt,
absichtlich so angelegt ist, daß er den Fremden zu einer Besichtigung der ganzen
Stadt zwingt. Der Toffee-Trick scheint hier das übliche Mittel zur ersten Orientierung
zu sein, denn immer wieder kreuzt Pirat den Weg eines anderen, fadenaufrollenden
Novizen... oft dauert es eine Weile, bis sie die Stränge ihrer verklebten Karamellen
wieder entwirrt haben. - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei
Hamburg 1981