ucht   Sollte man ihnen besser gar nicht zu helfen versuchen? Denn bedenket wohl, daß über andre Wesen Unordnung und Verzweiflung kommen könnte, wenn sie von dieser Sucht der Menschen angesteckt würden, sich selbst zu entwachsen, ohne doch die Kraft zur Verwandlung zu besitzen. Nur ungern frage ich dies, und das Herz bebt mir dabei. Muß es nicht jeden mit Bewunderung erfüllen, daß sie immer noch ausharren und da sind, obgleich sie nicht sein wollen, was sie sind? Welches andre Wesen ertrüge das wohl?  - Hans Erich Nossack, Bericht eines fremden Wesens über die Menschen. In: Ders., Die Erzählungen. Frankfurt am Main 1987 (zuerst 1946)

Sucht (2)   In den Momenten, in denen ich nicht schreibe, verspüre ich in der Tat ein Unwohlsein, das mir den Entzugserscheinungen von Drogensüchtigen vergleichbar scheint, jener Droge beraubt zu sein: der Suche nach der Poesie (einem genauso fesselnden Abenteuer wie für den über seinen Karten brütenden Spieler die Partie, von der sein Glück oder sein Ruin abhängen), und sich somit zu einer Leere verdammt zu sehen, die keine Lektüre und kein vom Geist eines anderen dargebotenes Schauspiel auszufüllen vermöchte, eine Art Erstickungstod zu erleiden und zur Beute jener giftigen Dünste zu werden, die den inneren Raum besetzen, in den sie - von nichts gehemmt - hineinströmen können. - (leiris2)

Sucht (3) Der suchtkranke Doolie bot einen erschreckenden Anblick. Der letzte Rest von Persönlichkeit war verschwunden, absorbiert von seinen junk-hungrigen Zellen. Eingeweide und Zellen, zu widerwärtiger insektenhafter Aktivität getrieben, schienen jeden Augenblick aus ihm herausbrechen zu wollen. Sein Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit entstellt, gleichzeitig geschrumpft und geschwollen.   - (jun)

Sucht (4)  Es wird oft gefragt, wie es dazu komme, daß jemand rauschgiftsüchtig wird. Ein Süchtiger wird darauf in der Regel antworten, daß es nicht so geplant war. Man wacht nicht eines schönen Morgens auf und beschließt, von nun an ein Leben als Rauschgiftsüchtiger zu führen. Man muß sich erst einmal mindestens drei Monate lang zweimal am Tag einen Schuß setzen, um überhaupt so etwas wie eine Sucht zu entwickeln. Und was Entzugserscheinungen sind, das weiß man erst wirklich, wenn man die Droge vorher schon ein paarmal abgesetzt hat. Bei mir dauerte es sechs Monate, bis ich meine erste Sucht hatte; und als ich nichts mehr nahm, waren die Entzugserscheinungen harmlos. Ich glaube, es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, daß einer erst nach einem Jahr, d.h. nach mehreren hundert Injektionen, eine echte Sucht am Hals hat.

Nun ließe sich natürlich weiterfragen: »Warum haben Sie überhaupt zu Rauschgift gegriffen? Warum haben Sie es so lange genommen, daß sie davon süchtig wurden?« Man greift zur Droge und wird süchtig, weil man nichts hat, was einen dazu motiviert, etwas anderes zu tun. Junk geht immer den Weg des geringsten Widerstands. Ich versuchte es aus reiner Neugier. Ich ließ mich treiben und setzte mir einen Schuß, wenn ich gerade an das Zeug herankommen konnte. Am Ende war ich süchtig. Bei den meisten Süchtigen, mit denen ich mich unterhalten habe, sah es ähnlich aus. Sie können sich nicht erinnern, aus einem bestimmten Grund mit Junk angefangen zu haben. Sie ließen sich einfach darauf ein, bis sie schließlich süchtig waren. Wer nie süchtig gewesen ist, macht sich keine Vorstellung davon, was es für einen Süchtigen bedeutet, Junk zu brauchen, das Zeug haben zu müssen, um jeden Preis. Nein, man nimmt sich nicht vor, süchtig zu werden. Man wacht eines Morgens mit Entzugserscheinungen auf und weiß, daß man eine Sucht hat.   - William S. Burroughs, Vorwort zu (jun)

 

Krankheit (psychische) Abhängigkeit Bedürfnisse

 

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Droge
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