uche  Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: »Meinen Schlüssel.« Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: »Nein, nicht hier, sondern dort hinten — aber dort ist es viel zu finster.« - Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein. München und Zürich 1983

Suche (2)  Laura  gab sich sparsam gesprächig. Zur Freude der Eltern. Die wären vollauf zufrieden gewesen, wenn sie nicht eine gewisse Schlagfertigkeit und auffällige Sprachgewandtheit ihrer Tochter beunruhigt hätte. An einem Wintermorgen zum Beispiel war Laura  eine Häkelnadel verlorengegangen. Es war wenige Tage vor Nikolaus. Als ihre Bemühungen, die Nadel wiederzufinden, erfolglos blieben, fürchtete sie, die Stiefel würden mit Kohlen statt mit Süßigkeiten gefüllt. Sie zog ihren Mantel an und rannte in den Hof, wo sie die Suche fortsetzte. Die Mutter lief ihr nach und fragte, was sie verloren hätte. Laura zögerte nicht, ihr die gewünschte Antwort zu geben.

»Wenn du die Nadel in der Küche verloren hast, ist es doch sinnlos, sie hier zu suchen«, sagte die Mutter.

»In der Küche ist es dunkel. Ich dachte, es ist besser, draußen zu suchen, wo es hell ist«, versetzte Laura. - Irmtraud Morgner, Amanda. Ein Hexenroman. Frankfurt am Main 1984 (SL 529, zuerst 1983)

Suche (3) Er konnte  nicht schlafen. Er blieb liegen und dachte an alle seine Erlebnisse in den letzten vierundzwanzig Stunden, von gestern abend an, als er sich in den Wald hinaus begab und das kleine Wasserfläschchen leerte, bis jetzt, da er ziemlich mitgenommen auf seinem Zimmer lag und vom Fieber geplagt wurde. Wie lang hatten diese Stunden gedauert! Und die Angst wollte ihn nicht verlassen, diese dumpfe und geheime Empfindung, daß er einer Gefahr, einem Unglück nahe sei, ließ ihn nicht los. Was hatte er denn getan? Wie es rings um sein Bett flüsterte! Das Zimmer war von einem zischelnden Murmeln erfüllt. Er faltete die Hände und glaubte zu schlafen ...

Plötzlich sieht er seinen Finger an und bemerkt, daß der Ring fehlt. Augenblicklich beginnt sein Herz stärker zu arbeiten; er sieht genauer hin: ein schwacher, dunkler Rand um den Finger, aber kein Ring! Allmächtiger Gott, der Ring war weg, ja, er hatte ihn ins Meer geworfen, er hatte ja nicht geglaubt, daß er ihn noch brauchen würde, da er sterben sollte. Daher warf er ihn ins Meer. Aber jetzt war er weg, der Ring war weg!

Er springt wieder aus dem Bett, zerrt sich die Kleider an und taumelt wie ein Verrückter im Zimmer umher. Es war zehn Uhr, bis zwölf Uhr muß der Ring gefunden sein, dachte er. Schlag zwölf war die letzte Sekunde, der Ring, der Ring...

Er stürmte die Treppe hinunter, auf die Straße hinaus, nach den Speichern zu. Vom Hotel aus wird er beobachtet, aber er kümmert sich nicht darum. Er ermattet wieder, seine Knie schlottern unter ihm, und nicht einmal das merkt er. Ja, jetzt hatte er den Grund zu dieser schweren Angst gefunden, die ihn den ganzen Tag bedrückt hatte, der Eisenring war weg! Und die Frau mit dem Kreuz war ihm erschienen.

Vor Schrecken ganz außer sich, springt er am Kai unten in das nächstbeste Boot. Es ist am Land befestigt, und er kann es nicht losmachen. Er ruft einen Mann an und bittet ihn, das Boot frei zu machen; der aber antwortet, das wage er nicht, es sei nicht sein Boot. - Ja, aber Nagel wollte alles auf sich nehmen, es gälte den Ring, er wollte das Boot kaufen. - Ob er denn nicht sehen könne, daß das Boot mit einem Schloß angehängt sei? Ob er das Schloß nicht sehen könne? - Nun, dann nehme er ein anderes Boot.

Und Nagel sprang in ein anderes Boot.

Wo wollen Sie hin? fragt der Mann.

Ich will den Ring suchen. Sie kennen mich vielleicht, ich habe hier einen Ring gehabt, Sie können selbst das Merkmal sehen, ich lüge also nicht. Und jetzt habe ich den Ring weggeworfen, er liegt irgendwo da draußen.

Der Mann versteht diese Rede nicht.

"Wollen Sie einen Ring auf dem Grund des Meeres suchen? sagt er.

Ja, ganz richtig! antwortet Nagel. Sie verstehen mich, wie ich höre. Denn ich muß doch meinen Ring haben, das sehen Sie doch selbst ein. Kommen Sie, und rudern Sie mich.

Der Mann fragt wieder: Wollen Sie einen Fingerring suchen, den Sie ins Meer geworfen haben?

Ja, ja, und kommen Sie nun! Ich werde Ihnen viel Geld dafür geben.

Gott stehe Ihnen bei, lassen Sie das lieber sein! 'Wollen Sie ihn mit den Fingern herausholen?

Ja, mit den Fingern. Das ist mir gleich. Ich schwimme wie ein Aal, wenn es darauf ankommt. Vielleicht können wir statt der Finger etwas anderes finden, um ihn heraufzuholen.

Und der fremde Mann steigt wirklich in das Boot. Er setzt sich hin, um über die Sache zu sprechen; aber er dreht das Gesicht weg. So etwas zu versuchen, sei doch verrückt. "Wäre es ein Anker oder eine Kette gewesen, dann hätte es einen Sinn gehabt; aber einen Fingerring! Und wenn man nicht einmal genau wisse, wo er liege!

Nagel begann selbst einzusehen, wie unmöglich sein Vorhaben war. Aber dann wußte er sich keinen Rat mehr, dann war er verloren! Die Augen standen ihm starr im Kopf, und Fieber und Angst schüttelten ihn. Er macht Miene, über Bord zu springen, aber der Mann hält ihn fest; Nagel sinkt auch sofort zusammen, matt, todmüde, viel zu schwach, um mit jemand ringen zu können. Himmlischer Vater, jetzt wurde es immer schlimmer und schlimmer! Der Ring war verloren, bald war es zwölf Uhr, und der Ring war verloren! Er hatte ja auch eine Warnung erhalten.

In diesem Augenblick schimmerte ein Funken klaren Bewußtseins durch sein Gehirn, und in der kurzen Zeit von zwei, drei Minuten dachte er an unglaublich viele Dinge. Er erinnerte sich auch an etwas, was ihm bisher nicht mehr eingefallen war: daß er bereits gestern seiner Schwester schriftlich Lebwohl gesagt und den Brief in den Postkasten geworfen hatte. Er war noch nicht tot; der Brief aber ging weiter, konnte nicht aufgehalten werden, er nahm seinen Weg und war nun schon weit fort. Und wenn seine Schwester ihn bekommen würde, mußte er bestimmt tot sein. Übrigens war der Ring weg, alles war jetzt unmöglich...

Seine Zähne schlagen zusammen. Ratlos sieht er sich um, die See ist nur einen kurzen Sprung weit von ihm entfernt. Er schielt zu dem Mann auf der Ruderbank vorne hin, der wendet sein Gesicht beständig ab, doch er paßt gut auf, ist förmlich bereit, zuzugreifen, wenn es nötig sein sollte. Warum wendet er die ganze Zeit das Gesicht weg?

Ich will Ihnen an Land helfen, sagt der Mann. Und er greift ihm unter die Arme und bringt ihn an Land.

Gute Nacht! sagt Nagel und dreht ihm den Rücken.

Aber mißtrauisch geht der andere ihm nach, behält alle seine Bewegungen heimlich im Auge. Wütend wendet sich Nagel um und sagt noch einmal gute Nacht; dann will er vom Kai hinunterspringen.

Und der Mann ergreift ihn wieder.

Es gelingt Ihnen nicht, sagt er dicht an Nagels Ohr. Sie schwimmen zu gut. Sie kommen wieder empor.

Nagel stutzt und denkt nach. Ja, er schwamm zu gut, er würde wahrscheinlich wieder aufsteigen und sich retten. Er sieht den Mann an, starrt ihm ins Gesicht; die häßlichste Fratze schaut ihm entgegen - Minute.

Minute wieder, abermals Minute.

Zur Hölle mit dir, du elende, kriechende Natter! schreit Nagel und läuft davon. Wie ein Betrunkener taumelt er über den Weg, stolpert, fällt und steht wieder auf; alles tanzt vor ihm, und er läuft immer noch, läuft in der Richtung der Stadt. Jetzt hatte Minute zum zweitenmal seine Pläne durchkreuzt! Um Himmels willen, was sollte er schließlich noch ausfindig machen? Wie es ihm vor den Augen schwirrte! Wie es über der Stadt brauste! Er fiel wieder hin.

Er hob sich auf die Knie und wiegte gequält den Kopf hin und her. Horch, jetzt rief es von der See her! Es war bald zwölf Uhr und der Ring noch nicht gefunden. Und hinter ihng kam ein Wesen, er hörte es, ein Schuppentier mit schlaffem Bauch, der über die Erde hinschleifte und eine nasse Spur hinterließ, eine greuliche Hieroglyphe mit Armen am Kopf und einer gelben Klaue auf der Nase. Fort, fort! Wieder rief es vom Meer, und heulend preßte er die Hände an die Ohren, um es nicht zu hören.

Und wieder springt er auf. Noch war nicht alle Hoffnung verloren, er konnte zu dem letzten Mittel greifen, dem sicherem sechsläufigen Revolver, dem besten, was es gab! Und er weint vor Dankbarkeit, läuft, was er kann, und weint vor Dankbarkeit über diese neue Hoffnung. Plötzlich fällt ihm ein, daß es Nacht ist, er kann keinen Revolver bekommen, die Läden sind geschlossen. Und sofort gibt er alles auf, schlägt ohnt einen Laut mit der Stirn auf den Erdboden auf.  - Knut Hamsun, Mysterien

Suche (4)

suchen wissen

ich was suchen
ich nicht wissen was suchen
ich nicht wissen wie wissen was suchen
ich suchen wie wissen was suchen

ich wissen was suchen
ich suchen wie wissen was suchen
ich wissen ich suchen wie wissen was suchen
ich was wissen

- Ernst Jandl, die bearbeitung der mütze

Suche (5) Was schlagen Sie vor?

Verrückte Sachen, neue Sachen, die den Dopamin-Spiegel ansteigen lassen, einem das Gefühl geben, Schmetterlinge im Bauch zu haben. Sex ist gut und alles, was einen ausgelassen macht, einen zum Lachen bringt. Man sollte versuchen, sich wieder daran erinnern, was man als junger Mensch gerne gemacht hat. Es kann natürlich sein, dass der andere dazu keine Lust hat. Dann muss man weitersuchen. - Helen Fisher, Anthropologin, Berliner Zeitung vom 18./19. Februar 2006

Suche (6) In den nachfolgenden Zeilen sind eine Vielzahl unterschiedlichster Smileys versteckt, aber nur ein einziger Ur-Smiley ist dabei. :-)

Smiley-Suche

- (Reilly2)

Suche (7)  Ein klitzekleines Cronopium suchte den Haustürschlüssel auf dem Nachttisch, den Nachttisch im Schlafzimmer, das Schlafzimmer im Hause, das Haus auf der Straße. Hier hielt das Cronopium inne, da es, um auf die Straße zu gehen, den Hausschlüssel benötigte.   - (cron)

Suche (8)  

Lied

Durch die Lorbeerzweige
gehn zwei dunkle Tauben.
Die eine war der Mond,
die andere die Sonne.
Sagt, ihr Guten, sagt mir,
wo ist denn mein Grab?
In meiner Kehle, sprach der Mond.
In meinem Schwanz, die Sonne.
Und kaum ging Ich meines Wegs,
am Gürtel hatt ich Erde,
sah aus Marmor ich zwei Adler
und ein nacktes Mädchen.
Der eine war der andre
und niemand war das Mädchen.
Ihr guten Adler, sagt mir,
wo ist denn mein Grab?
In meiner Kehle, sprach der Mond.
In meinem Schwanz, die Sonne.
Durch die Kirschenzweige
sah ich zwei nackte Tauben,
die eine war die andre
und niemand war beide.

- Federico García Lorca, nach (mus)

Suche (9)  Was eigentlich sucht dieser Kerl? Sucht er sich? Sucht er sich als Individuum? Als ein vorgeblich zeitloses Individuum oder als historisches Wesen? Falls letzteres zutrifft, verlorene Liebesmüh. Sucht er sich jedoch am Rande jeglicher Kontingenz, dann ist das mit dem Hund vielleicht gar nicht so schlecht. Aber gehen wir langsam vor (es entzückt ihn, so zu sich selber zu sprechen, wie ein Vater zu seinem Sohn, um sich am Ende das Vergnügen aller Söhne zu gestatten und dem Alten eins auszuwischen), gehen wir piano piano vor, um zu sehen, was es mit diesem. Suchen auf sich hat. Nun gut, das Suchen ist nicht. Subtil, was? Es ist kein Suchen, weil er sich bereits gefunden hat. Nur, das Sich-gefunden-haben haut nicht hin. Da sind Fleisch, Kartoffeln und Lauch, aber da ist kein Eintopf. Mit anderen Worten, wir sind schon nicht mehr bei den anderen, wir haben aufgehört, ein Bürger zu sein (nicht umsonst jäten sie mich überall wie Unkraut aus: Lutetia ist Zeuge), aber ebensowenig haben wir es verstanden, vom Hund auszugehen, um zu dem zu gelangen, was keinen Namen hat, sagen wir mal, zu dieser Versöhnung oder Wiederversöhnung.

Schreckliche Aufgabe, in einem Kreis herumzutappen, dessen Mittelpunkt überall ist und dessen Umkreis nirgends, um es scholastisch auszudrücken. Was wird gesucht? Was wird gesucht? Man muß es fünfzehntausendmal wiederholen, wie Hammerschläge auf eine Wand. Was wird gesucht? Was ist diese Übereinstimmung, ohne die das Leben nicht mehr ist als eine undurchschaubare Fopperei?   - (ray)

Suche (10) Durch die Halle verläuft der Abwasserkanal — genauer wäre: Kloake oder Schlammloch —, in dem ich herumwühlen muß. Mit nur einer Hand fange ich an zu suchen, kremple dabei die Manschette meines Hemdes und den Rand meines Jackenärmels hoch, um mich nicht schmutzig zu machen. Es ekelt mich sehr davor, blindlings in diesem Kot wühlen zu müssen. Ich habe Angst, meine Hand könnte mit irgendeinem Tier oder einem unaussprechlichen Gegenstand in Berührung kommen. Und tatsächlich: Kaum habe ich zu wühlen begonnen, als ich auch schon etwas Lebendes anfasse; es ist eine Kröte, so sehr mit Kot bedeckt, daß sie fast gestaltlos geworden ist. Dann ziehe ich aus dem Morast mehrere Kettchen aus Metall, doch nicht die Kette, nach der ich suche. Als ich weiter wühle, mit der linken Hand (denn ihrer bediene ich mich, als ob es weniger eklig wäre, meine linke Hand zu beschmutzen als meine rechte), bekomme ich eine Art Regenwurm oder winziger Schlange zwischen die Finger, und ich ziehe sie aus dem Schlamm. Da sagt mir jemand, dieses Wurrn- oder Schlangentier sei »deutsch« (in der vollen Bedeutung dieses Beiworts: das heißt, es bezeichnet ein Wesen von deutscher Nationalität und nicht nur ein Gut oder einen Besitz der Deutschen, wie alles im Besitz der Deutschen ist, was die im besetzten Land gelegene Halle enthält). Da es mir immer noch nicht gelungen ist, die gesuchten Dinge zu entdecken, werde ich weiter wühlen müssen, eine Aussicht, die mich mit Abscheu und Unruhe erfüllt, denn Gott weiß, auf was für einen unerträglich schmutzigen Fund ich noch stoßen werde — in dieser Halle, die unwillkürlich an eine riesengroße Alchimistenküche denken läßt und in der sich eine Grotte auftut, deren Schwärze, zwei Schritte von mir entfernt, in die geheimen Abgründe der Natur weist —, ich, der ich nur durch einen durchlässigen Vorhang von staubbedecktem Laubwerk von einem Vorzimmer des Todes getrennt bin.   - (leiris)

Bewegung Brauchen Forschung
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Verwandte Begriffe
Synonyme