tigma   Körperlich war nichts von Krankheit oder von kürzlicher Genesung an ihm zu bemerken. Er wirkte wie einer, der vom Scheiterhaufen heruntergeholt worden ist, nachdem die Flammen sengend an seinem Leib emporgeleckt haben, ohne ihn indessen zu verzehren oder ihm auch nur das geringste von seiner ehernen Rüstigkeit zu rauben. Seine hohe, breitschultrige Gestalt schien ganz aus Bronze und in unabänderlichem Guß geprägt, wie Cellinis Perseus.

Unter seinem grauen Haar hervor verlief seitlich über das ganze Gesicht hinunter bis in den Kragen hinein eine schmale, gertengleiche Narbe von bläulichweißer Färbung. Sie glich jener senkrechten Naht am kerzengeraden Stamm eines Baumes, in dessen Rinde der Blitz von oben bis unten eine Rille gegraben hat, ohne dem so gezeichneten Baum sonst etwas anhaben zu können. Ob Ahab mit dieser Narbe zur Welt gekommen war, oder ob sie von einer fürchterlichen Wunde herrührte, wußte niemand mit Bestimmtheit anzugeben. Einer still schweigenden Übereinkunft zufolge fiel auf der ganzen Fahrt kaum je eine Bemerkung darüber, am allerwenigsten von seiten der Steuerleute. Einmal allerdings behauptete ein abergläubischer alter Indianer und Landsmann Taschtigos, Ahab sei erst mit gut vierzig Jahren solchermaßen gebrandmarkt worden, und zwar nicht etwa im Getümmel eines Handgemenges, sondern im Kampf mit den Elementen auf See. Dieser gewagten Mutmaßung schien jedoch zu widersprechen, was ein alter Graubart von der Insel Man orakelte, der noch nie zuvor von Nantucket aus in See gegangen war und deshalb Ahab bisher nicht gekannt hatte. Dessenungeachtet stattete ein alter, unausrottbarer Aberglaube der Seeleute den Alten von der Insel Man mit übernatürlicher Hellsicht aus. Unter den Weißen auf dem Schiff wurde deshalb kein ernsthafter Zweifel laut, als der Graubart mit Leichenbittermiene versicherte, falls Ahab wider Erwarten jemals friedlich aufgebahrt werden sollte, dürfte der Betreffende, der dem Toten diesen letzten Dienst erweise, ein vom Scheitel bis zur Sohle reichendes Muttermal gewahr werden.  - (mob)

Stigma (2)  Der Küster war nicht idiotisch, aber doch ein wenig schwachsinnig oder zumindest einfältig, und als Kind war er lange Zeit anfällig und kränklich gewesen.

Da er an der linken Hand sechs Finger hatte, pflegte er diese mißgestaltete Hand unter dem Gürtel seiner Hose zu verbergen und versuchte, alles mit der anderen Hand zu tun, als sei er einarmig, so daß er leicht gekrümmt zu sein schien, wenn er sich in der Kathedrale zu schaffen machte. Doch meistens tat er gar nichts, obwohl er keineswegs ungeschickt war. Er war ein großer, magerer, schlaksiger Mann mit einem sehr kleinen, grindigen, glattrasierten Kopf, einem vorstehenden Adamsapfel, einem breiten, traurigen Mund mit herabhängenden Mundwinkeln und großen, leeren, schwarzen Augen, die ins Unbestimmte, Ungewisse zu blicken schienen, aber jedem einen Schock versetzten, auf dem sie zufällig haftenblieben. Meist wirkte der Küster freilich eher geistesabwesend, wenn er in Pantoffeln einherschlurfte und Maulaffen feilhielt.   - Blaise Cendrars, Wahre Geschichten. Zürich 1979

Stigma (3)

- N. N.

Stigma (4)

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