prachforschung  Beim schwachen Licht des Kaminfeuers, sah er, daß die Tür aufgestoßen wurde (mit einem Riegel war sie nie versehen gewesen), und es kam ein armer, alter Mann herein, bis an die Ohren betrunken, durchnäßt und aufgeweicht, und wegen seiner Trunkenheit schritt er nicht mit aufrechtem Gang herein, sondern er kroch. Das Geschöpf verlor sich unverzüglich in der Dunkelheit des Hauses, doch wo immer es auch auf dem Fußboden liegen mochte -: das Herz des Gentlemans hüpfte vor Freude, als er hörte, wie sich ein gewaltiger, flüssiger Redestrom von der betreffenden Stelle her ergoß. Es war wirklich schnelle, verwickelte, ernsthafte Sprache; man hätte meinen können, der alte Knabe fluche betrunken vor sich hin; aber der Gentleman hielt sich nicht damit auf, sie verstehen zu wollen. Er erhob sich flink und stellte die Maschine neben den, der Gaelisch ausspie. Es hatte den Anschein, als habe der Gentleman dieses Gaelisch für überaus schwer verständlich gehalten, und entsprechend groß war seine Freude, als seine Maschine es trotzdem absorbierte; er wußte nämlich, daß gutes Gaelisch schwierig ist, das beste Gaelisch von allen aber so gut wie unverständlich. Nach etwa einer Stunde versiegte der Redefluß. Der Gentleman war über den Erfolg dieser Nacht sehr erfreut. Als Zeichen seiner Dankbarkeit steckte er dem alten Knaben, der nunmehr in trunkenen Schlummer gefallen war, eine weiße Pfeife, einen Schlag Tabak und eine kleine Flasche mit geistigem Getränk in die Taschen. Dann machte sich der Gentleman mit seiner Maschine auf den Heimweg durch den Regen, indem er ihnen allen still seinen Segen hinterließ, den jedoch keiner erwiderte, da die Trunkenheit den Schädel jedes Anwesenden mit Macht überschwemmt hatte.

Es wurde später in der Gegend gesagt, der Gentleman sei für die Sagen, die er in jener Nacht in seiner Gehör-Maschine gespeichert hatte, überschwenglich gelobt worden. Er reiste nach Berlin, einer Stadt Deutschlands innerhalb von Europa, und erzählte alles, was die Maschine gehört hatte, den gelehrtesten Köpfen des Kontinents. Diese .gelehrten Köpfe sagten, sie hätten noch nie ein Fragment Gaelisch gehört, das so gut, so poetisch und so dunkel gewesen sei wie dieses, und daß sie sicher seien, man brauche sich um das Gaelische keine Sorgen mehr zu machen, solange dergleichen in Irland zu hören sei. Freudig statteten sie den Gentleman mit einem feinen akademischen Rang aus, und, das ist noch interessanter, sie stellten ein kleines Komitee aus ihren eigenen Mitgliedern zusammen, welches eine detaillierte Studie über die Sprache aus der Maschine anfertigen sollte, um herauszufinden, ob man irgendeinen Sinn hineinbringen könne.

Ich weiß nicht, ob es Gaelisch oder Englisch oder sonst ein fremder, ungehöriger Dialekt war, den die alte Rede enthielt, die der Gentleman mit seiner Maschine von uns hier in Corkadoragha eingesammelt hat, aber es steht fest, daß jedes Wort, das in jener Nacht gefallen war, von unserem streunenden Schwein stammte. - Flann O'Brien, Irischer Lebenslauf. Eine arge Geschichte vom harten Leben. Herausgegeben von Myles na Gopaleen. Aus dem Irischen ins Englische übertragen von Patrick C. Power. Aus dem Englischen ins Deutsche übertragen von Harry Rowohlt. Frankfurt am Main 2003 (st 3503, zuerst 1941)

Sprachforschung (2) Fotze, f. , ein unhübsches, gemiedenes wort, bei dem die sprachforschung doch manches zu erwägen hat.

    für die vorstellungen des zeugens und entleerens gibt es auszer den natürlichen, derben namen zahlreiche euphemismen und umschreibungen, die den ausdruck verhüllen oder sogar hervorheben. welcher von diesen drei arten sie angehören, fällt bei alten, in unvordenklichem gebrauch gewesenen benennungen zu sagen schwer. den derben wörtern weicht die anständige rede aus, vom volk aber werden sie, wo es sein musz, nicht gescheut, von freien, ausgelassenen dichtern wissentlich gesucht.

  ein beispiel der verhüllung ist das ganz unverfängliche wort ding, wodurch das weibliche wie das männliche glied gemeint sein kann (2, 1164), und nicht anders stehn das lat. res, it. cosa, fr. chose. auch wicht galt wol in gleichem sinn, wie sich durch bösewicht oder schelm für penis bestätigt. man erinnere sich der oben berührten verwendung von es thun, le faire, wo der blosze artikel oder das verbum allein schon das, worauf es abgesehn ist, bezeichnet.

    im lateinischen und romanischen wird cunnus, it. conno, sp. cuño, fr. con (überall m.) mit weniger zwang ausgesprochen, als eins der deutschen wörter. die unzüchtigen, oft aber witzigen und sinnreichen fabliaux der Franzosen haben con und vit auf allen blättern, wo die herausgeber ganz verkehrt durch puncte gerade hervorheben, was dem leser im zusammenhang und im reim ohnehin nicht entgehen kann.

    prov. 30, 16 heiszt es nach der vulgata: tria sunt insaturabilia et quartum, quod nunquam dicit sufficit, infernus et os vulvae et terra quae non satiatur aqua, ignis vero nunquam dicit sufficit. wüsten wir, wie diese stelle ULFILAS verdeutschte, so würde ein goth. ausdruck offenbar. - Grimmsches Wörterbuch

Sprachforschung (3) Sie machten sich daran, alle nichtmenschlichen Töne und Laute zu sammeln und zu katalogisieren, von welcher Provenienz auch immer, und vordringlich solche von unsicherer und obskurer Herkunft; sie vermuteten nämlich, daß die Vokabeln, die Zwischenrufe der Toten bereits unter die zahllosen tagtäglichen Geräusche gemischt seien, von denen sie ausgesondert und aufgefangen werden müßten. Sie hatten vor, diese nach ihrer jeweiligen Paarung und Vermischung zu ordnen; sie hofften, auf diese Weise eine phonetische Basismorphologie zusammenzustellen, um dann zu einer generellen Syntax fortzuschreiten. Sie hatten weiterhin vor, immer alle Umstände, unter welchen sich irgendein Laut kundtue, aufzunotieren, und hofften, auf diese Weise feststehende Bezüge zwischen Lauten und Ereignissen zu entdecken, von denen sie glaubten, daß darin die Bedeutung liege. Und tatsächlich erfaßten sie gewisse Raschellaute und Schnalzer, die wegen ihrer Häufigkeit und dem nicht zufälligen Zusammenhang vernünftigerweise als Indizien einer Sprache vermutet werden konnten. Aber man gelangte nicht darüber hinaus: es lag eine Schwierigkeit in ihrer Verfahrensweise, ein Hindernis, und zwar genau am subtilsten Punkt ihrer Gedankenführung; kurzum, es gelang ihnen nicht, sie konnten sich nicht verständigen darüber, welches die zu beschreibenden Umstände seien; und während sie notierten und katalogisierten und jedesmal Kriterien und Methoden überarbeiteten, endeten sie schließlich in Verzweiflung und verdarben auch ihre persönlichen Beziehungen. Es muß hinzugefügt werden, daß diese Laute, wenn man gut hinhörte, allzu unartikuliert und ärmlich erschienen, um als Sprache für ein so umfassendes Kolloquium gelten zu können.   - Giorgio Manganelli, Diskurs über die Schwierigkeit, mit den Toten zu sprechen. In: G. M., An künftige Götter. Sechs Geschichten. Berlin 1983 (zuerst 1972)
 

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