prache, deutsche  Es gibt ganz gewiss keine andere Sprache, die so unordentlich und systemlos daherkommt und dermaßen jedem Zugriff entschlüpft. Aufs Hilfloseste wird man in ihr hin und her geschwemmt, und wenn man glaubt, man habe endlich eine Regel zu fassen bekommen, die im tosenden Aufruhr der zehn Wortarten festen Boden zum Verschnaufen verspricht, blättert man um und liest: „Der Lernende merke sich die folgenden Ausnahmen.“ Man überfliegt die Liste und stellt fest, dass es mehr Ausnahmen als Beispiele für diese Regel gibt. Also springt man abermals über Bord, um nach einem neuen Ararat zu suchen, und was man findet, ist neuer Treibsand. Dies war und ist auch jetzt noch meine Erfahrung. Jedes Mal, wenn ich glaube, ich hätte einen dieser vier verwirrenden Fälle endlich da, wo ich ihn beherrsche, schleicht sich, mit furchtbarer und unvermuteter Macht ausgestattet, eine scheinbar unbedeutende Präposition in meinen Satz und zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Zum Beispiel fragt mein Buch nach einem gewissen Vogel (es fragt immerzu nach Dingen, die für niemanden irgendwelche Bedeutung haben): „Wo ist der Vogel?“ Die Antwort auf diese Frage lautet – gemäß dem Buch –, dass der Vogel in der Schmiede wartet, wegen des Regens. Natürlich würde kein Vogel so etwas tun, aber ich muss mich an das Buch halten. Schön und gut, ich mache mich also daran, das Deutsch für diese Antwort zusammenzuklauben. Ich fange am falschen Ende an, das muss so sein, denn das ist die deutsche Idee. Ich sage mir: „‚Regen‘ (rain) ist Maskulinum – oder vielleicht Femininum – oder auch Neutrum – es ist zu mühsam, das jetzt nachzuschlagen. Es heißt also entweder der (the) Regen oder die (the) Regen oder das (the) Regen – je nachdem, welches Geschlecht das Wort hat, wenn ich nachsehe. Im Interesse der Wissenschaft will ich einmal von der Hypothese ausgehen, es sei Maskulinum. Gut – der Regen ist der Regen, wenn er im Ruhezustand, ohne Ergänzung oder weitere Erörterung, lediglich erwähnt wird – Nominativ; aber falls der Regen herumliegt, etwa so ganz allgemein auf dem Boden, dann ist er örtlich fixiert, er tut etwas, nämlich er liegt (was nach den Vorstellungen der deutschen Grammatik eine Tätigkeit ist), und das wirft den Regen in den Dativ und macht aus ihm dem Regen. Dieser Regen jedoch liegt nicht, sondern er tut etwas Aktives – er fällt (wahrscheinlich um den Vogel zu ärgern), und das deutet auf Bewegung hin, die wiederum bewirkt, dass er in den Akkusativ rutscht und sich aus dem Regen in den Regen verwandelt.“ Damit ist das grammatikalische Horoskop für diesen Fall abgeschlossen, und ich gebe zuversichtlich Antwort und erkläre auf Deutsch, dass der Vogel sich „wegen den Regen“ in der Schmiede aufhält. Sofort fällt mir der Lehrer sanft in den Rücken mit der Bemerkung, dass das Wort „wegen“, wenn es in einen Satz einbricht, den betroffenen Gegenstand immer und ohne Rücksicht auf die Folgen in den Genitiv befördere – und dass dieser Vogel daher „wegen des Regens“ in der Schmiede gewartet habe.

N. B. Von höherer Stelle erfuhr ich später, dass es hier eine „Ausnahme“ gebe, die es einem erlaube, in gewissen eigentümlichen und komplizierten Umständen „wegen den Regen“ zu sagen; aber diese Ausnahme gelte wirklich für nichts anderes als für den Regen. - Mark Twain, Bummel durch Europa

 

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