prache In der Sprache, die Ausdruck genannt werden darf, finden sich alle unsere Einsamkeiten zusammen zu einer einzigen. Und obwohl das nichts bringt, zu nicht führt, zu nichts Positivem, Lebbarem, Beruhigendem, Einfriedendem, ist es doch eine schöne Vorstellung, daß die Sprache ein Element sei, in dem sich lauter einsame und natürlich stumme Fische tummeln, und daß wir verbunden scheinen miteinander durch dieses Element, in dem wir ausdrücken, daß wir ziemlich stumm sind. - Martin Walser

Sprache (2) Es ist mir von grund meiner seelen leyd, daß ich E. L. nicht alles sagen kann, was ich gerne wollte, denn ich bin versichert, daß, wenn ich E. L. alles verzehlen sollte, was ich hierauf weiß, E. L. würden sich ein augenblick divertieren, allein ich darf es der feder nicht vertrauen, insonderheit in diesen Zeiten, da man so überaus scrupuleus wird, auch so, daß der König seinen beichtsvater zu dem meinen geschickt hat und mir heute morgen hat einen erschrecklichen filz geben lassen über 3 punkten: der 1. ist, daß ich zu frey im reden were und mons. le dauphin gesagt hette, daß, wenn ich ihn nacket von den fußsohlen bis auf den scheytel sehen sollte, daß weder er noch niemandes mich tentieren könnte; zum andern, daß ich zugebe, daß meine jungferen galants hetten; zum dritten, daß ich mit der princes de Conti wegen ihre galants gelacht hette, welche 3 stück dem König so mißfielen, daß wenn er nicht betracht, daß ich seine geschwey were, hette er mich von hof congediert, worauf ich geantwortet, daß was mons. le dauphin anbelangt, so gestehe ich, daß ich solches zu ihm gesagt hette, indem ich nie gedacht, daß es eine schande seye, keine tentation zu haben, hette auch nie gehört, daß es zu der modestie nötig seye; was ich sonsten von kacken und pissen frey zu ihm gesprochen, dieses seye mehr des Königs schuld, als die meine, indem ich ihn hette hundert mal sagen hören, daß man in der familie von alles reden könnte, und daß er mich hette sollen warnen lassen, wenn er es nicht mehr gut befunde, indem es die leichtste sach von der welt zu corrigieren seye. Was den zweyten punkten anbelangt, und daß meine jungfern galants hetten, so mischte ich mich in nichts von meinem hause, würde also nicht bey dem anfangen, so am schwersten in ordre zu bringen seye, aber daß doch solches nicht ohne exempel seye und daß jederzeit solches an höfen breuchlich gewesen und daß also, wenn sie nur nichts täten was gegen ihre ehr, ich nicht glauben könnte, daß solches weder ihnen noch mir tort tun könnte. Was den 3. punkten und seine dochter anbelangt, so were ich ihre hofmeisterin nicht, ihr zu wehren, wenn sie galants haben wollte, könnte auch nicht drüber weinen, wenn sie mir ihre avanture verzehlte, und weilen ich den König selber davon mit ihr sprechen hören und mit ihr lachen sehen, hette ich gemeint, daß es mir auch erlaubt were; aber mad. la duchesse könnte mein zeuge sein, daß ich mich nie in nichts gemischt hette, were mir also gar schmerzlich, mich unschuldiger weis so übel vom König tractieret zu sehen und als wenn ich etwas erschreckliches verbrochen hette, und solche wörter zu hören, welche mir gar nicht zukämen und welche zu hören ich nicht were erzogen worden. Ich habe Mons. kein wort von dieser historie gesagt, denn ich weiß, wie I. L. sein, sie würden alles ärger machen; aber ich muß gestehen, daß ich wohl von herzen bös über den König bin, mich wie eine kammerfrau zu tractieren, welches seiner Maintenon besser zukomme, als mir, denn sie ist dazu geboren, aber ich nicht. Ich weiß nicht, ob es den König gereuet, mir die harangue gemacht zu haben, allein heute morgen, als er in die meß gangen, hat er mir freundlich zugelacht, mir aber wars gar nicht lächerlich, hab derowegen wohl wieder wie ordinarie eine tiefe reverenz gemacht, aber bitter sauer drein gesehen. Was weiter hieraus werden wird, werde ich E. L. berichten, wenn ich es wissen werde; hette man mich so unschuldiger weis exilliert, glaube ich, daß ich durchgangen were und zu E. L. kommen.   - (lis)

Sprache (3)  Die Sprache diente dazu, den Sinn zu verhehlen, zu trüben und das vollständige Inferno des vergangenen Jahrhunderts zu erzeugen, wogegen einzig die Pflege der Sprache und das genaue Aufzeichnen durch sie hilft. Wenn die Menschen dies zu lange unterlassen, so werden ihre Kinder und Kindeskinder sich am Bettelstabe sehen. - Ezra Pound, nach (bov)

Sprache (4)

von einen sprachen

schreiben und reden in einen heruntergekommenen sprachen
sein ein demonstrieren, sein ein es zeigen, wie weit
es gekommen sein mit einen solchenen: seinen mistigen
leben er nun nehmen auf den schaufeln von worten
und es demonstrieren als einen den stinkigen haufen
denen es seien. es nicht mehr geben einen beschönigen
nichts mehr verstellungen. oder sein worten, auch stinkigen
auch heruntergekommenen sprachen-worten in jedenen fallen
einen masken vor den wahren gesichten denen zerfressenen
haben den aussatz. das sein ein fragen, einen tötenen.

- Ernst Jandl

Sprache (5)  Die Sprache ist ein Labyrinth von Wegen. Du kommst von einer Stelle und kennst dich aus; du kommst von einer andern zur selben Stelle, und kennst dich nicht mehr aus.   - (wit)

Sprache (6) Es ist eigentlich um das Sprechen und Schreiben eine närrische Sache; das rechte Gespräch ist ein bloßes Wortspiel. Der lächerliche Irrthum ist nur zu bewundern, daß die Leute meinen - sie sprachen um der Dinge willen. Gerade das Eigenthümliche der Sprache, daß sie sich blos um sich selbst bekümmert, weiß keiner. Darum ist sie ein so wunderbares und fruchtbares Geheimniß, -daß wenn einer blos spricht, um zu sprechen, er gerade die herrlichsten, originellsten Wahrheiten ausspricht. Will er aber von etwas Bestimmten sprechen, so läßt ihn die launige Sprache das lächerlichste und verkehrteste Zeug sagen. Daraus entsteht auch der Haß, den so manche ernsthafte Leute gegen die Sprache haben. Sie merken ihren Muthwillen, merken aber nicht, daß das verächtliche Schwatzen die unendlich ernsthafte Seite der Sprache ist. Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache wie mit den mathematischen Formeln sei -Sie machen eine Welt für sich aus - Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur aus, und eben darum sind sie so ausdrucksvoll - eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freiheit sind sie Glieder der Natur und nur m ihren freien Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab und Grundriß der Dinge. - Novalis, Monolog

Sprache (7) Howard bestritt den gewaltigen Unterschied, den Halm in der ersten Stunde gemacht habe zwischen Fremdsprache und Muttersprache. Das Verhältnis von Verschweigen und Aussprechen bleibe unter allen Umständen gleich. Freud habe formuliert, wie sich durch Versprechen das Verschwiegene räche. Halm hätte gern gesagt, daß er sich gestern an einem Café-Tisch nicht ein einziges Mal versprochen habe, obwohl er ununterbrochen verschwiegen habe, was er gern gesagt hätte. Ob Freud nicht einen etwas strafsüchtigen Begriff von der Selbstunterdrückung habe? Ist nicht jede Sprache eine Fremdsprache, hätte Halm gern gesagt, ausgerufen sogar. Fremd dem, was wir sind. Was wir sind, darf nicht herauskommen. In keiner Sprache. Also, die heutige Behauptung: Jede Sprache ist mehr zum Verbergen da als zum Enthüllen..- Martin Walser, Brandung, Frankfurt am Main 1987         


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