Spielplatz   Es mußte mit den leerstehenden Baracken des KZ am Rande von M. zu tun haben, die bis etwa zum zwölften Lebensjahr mein hauptsächlicher Spielplatz waren, da sich - im Anschluß an das riesige Trümmerfeld der einstigen Munitionsfabriken, von denen es nur noch einzelne Gebäudeteile gab, die nun zur Herstellung von Radioersatzteilen genutzt wurden — dieses Lager ganz in der Nähe unseres Wohnhauses befand. Mir schien damals, ich sei das einzige der Kinder, das um den höllischen Zweck der Barackenreihen wußte, ich war dasjenige der Kinder, dessen Phantasie beim Spielen in den langgestreckten kahlen Räumen nicht zuließ, sich unter den häßlichen braunen Spritzern und Flecken in der Tünche der Wände anderes vorzustellen als Blut, sich nicht auszumalen, daß an den rostigen Haken im Gemäuer der Kammern Leichen oder stöhnende Gefolterte aufgehängt worden waren. Und es ist möglich, daß die verbrecherische Vorstellungskraft des Kindes, das ich war, während ich den Versteckspielen in dem Trümmer- und Barackengelände zuschaute, das Grauen über die vormalige Beschaffenheit des Lagers mit den ersten kindlichen Gelüsten verband. - (hilb2)

Spielplatz (2)  Wenn der Totengräber bei der Arbeit war, hatte ich gar manches Mal eine Unterhaltung mit ihm. Er war ein ernster Mann, er lächelte selten, aber er war sehr freundlich gegen mich, und wenn er so dastand und Erde aus dem Grabe aufschaufelte, kam es wohl vor, daß er mir zurief, ein wenig aus dem "Wege zu gehen, denn jetzt habe er ein großes Stück Hüftknochen oder den grinsenden Schädel eines Toten auf dem Spaten.

Ich fand oft Knochen und Haarbüschel von Leichen auf den Gräbern, die ich dann wieder in die Erde eingrub, wie es der Totengräber mich gelehrt hatte. Ich war so hieran gewöhnt, daß ich kein Grausen empfand, wenn ich auf diese Menschenreste stieß. Unter dem einen Ende der Kirche befand sich ein Leichenkeller, wo Unmengen von Knochen lagen und sich umhertrieben, und in diesem Keller saß ich gar manches Mal, spielte mit den Knochen und bildete aus dem zerbröckelten Gebein Figuren auf dem Boden.  - Knut Hamsun, Kleine Erlebnisse. Sämtliche Romane und Erzählungen Bd. 5. München 1977

Spielplatz (3) GROSSMUTTER
Ich bin die Großmutter von dem jungen Mönch. Ich kanns gar nicht glauben, daß mein Bub im Kloster ist, der Jakob. Aber er hat es schon immer schwer gehabt, er ist immer lieber allein gegangen, mir gehts auch so. Wie mir mein Bub, der Herbert, mit 8 Jahr an Difterie erstickt is, hatt ich mich von der Steinern Brück in die Donau gstürzt, wenn mich der Rull net zrückghaltn hätt. Wie ich 7 Jahr nach seim Tod wieder nach Regensburg komm, hams grad sein Grab ausghobn, Hemdfetzn sand umherglegn, d' Hirnschal mit an Büschl Haar. Frau, hat der Totngräber gsagt, machens kei Dummheit, daß Sie nunterspringen und was mitnehmen, das wär Friedhofsschändung. Neulich hat mir in der Stadt eine von Grafling erzählt, daß sie dort den Friedhof umbaggert ham, damit de Kinder an Spielplatz kriegn, de Totenköpf sand de Böschung nunter-grollt und die Kinder ham mit eahna Fußball gespielt, des is dann koa Schändung! Hh einatmend ha ausatmend ja zwei Bubn hab ich verlorn. - Herbert Achternbusch, L'Etat c'est moi. Frankfurt am Main 1972

Spielplatz (4)  Unser Lieblingsspiel war Reifen verbrennen. Dem Hochhaus gegenüber, auf einem quadratkilometergroßen Areal, auf dem heute ein Schwesternheim steht, gab es Autowracks und wilde Birnbäume, Hecken, durch die man sich röhrenartige Gänge schneiden konnte, wenn man vor irgendwem auf der Flucht war. Baumhäuser gab es und überall geheime Plätze.  - Helmut Krausser, Schweine und Elefanten. Reinbek bei Hamburg 1999

Spielplatz (5)  Die meisten Kinder waren jetzt draußen, rannten herum, rannten andere Kinder über den Haufen oder wurden über den Haufen gerannt, je nachdem wie groß sie waren. Einige sammelten ein paar gefüllte Abfalltüten ein, die im Treppenhaus herumlagen und machten ein Feuer, rannten laut brüllend drumrum, nahmen Stücke brennenden Mulls und bewarben einander damit, bis einige Türen sich öffneten und man ihnen sagte, sie sollten verschwinden, aber rasch, ihr Scheißbande und sie traten ins Feuer und spielten im Treppenhaus Fußball mit dem brennenden Abfall, schrien leckt uns am Arsch und rannten kreischend die Treppe runter und auf die Straße. Andere steckten Papierstreifen in die Briefkästen mit Post drin, zündeten die Streifen an und sprangen vor Freude in die Luft, wenn die Briefe verbrannten und die Flammen die Wand schwärzten. Als alle Briefe verbrannt waren, drückten sie alle Klingelknöpfe, die sie erreichen konnten und rannten brüllend aus dem Haus. Aus Fenstern reckten sich Köpfe und den Kindern wurde gesagt, wenn sie nicht sofort mit diesen Biestereien aufhörten, bekämen sie einen Tritt innen Arsch und nich zu knapp und eine Abfalltüte und eine leere Flasche flogen hinter ihnen her und die Kinder lachten und schrien selber Arsch und rannten zum Spielplatz, wo die kleineren zur Rutschbahn hinaufkletterten, die noch kleineren hinunterstießen, denen, die versuchten auf der Leiter hinaufzusteigen, auf die Hände traten, einen herunterzerrten, einen anderen ins Gesicht traten; dann nahmen sie sich die Wippschaukeln vor, stießen Kinder herunter, ließen einem Kind die Wippe ins Gesicht schnellen; die kleineren Kinderlagen schreiend auf dem Boden, bis die Eltern, die in der Sonne saßen, aufmerksam wurden und hinüber brüllten, dann rannten die Kinder fort und zu einem anderen Teil des Spielplatzes und einige der größeren Kinder nahmen anderen Kindern ihren Basketball weg und als der Besitzer des Balles nach seinem Ball schrie, schmissen sie ihm schließlich den Ball an den Kopf und schlugen ihm die Nase blutig und einer seiner Freunde schrie den fliehenden Kindern schwarze Schweine nach und sie kamen zurück und sagten ihm, er selbst wäre schwärzer wie Scheiße und die anderen Kinder sagten, bei euch sind ja sogar die Wanzen schwarz und der Junge sagte deine Mutter läßt sich für Geld von Mak-karonifressern ficken und der andere Junge zog eine Nagelfeile heraus und riß dem Jungen damit die Wange auf, rannte davon und seine Freunde mit ihm und in der entferntesten Ecke des Spielplatzes saß ein Grüppchen von Kindern eng und friedlich beisammen, ganz für sich, und kümmerte sich weder um die Schlägereien noch um das Gebrüll; sie hatten sich gegenseitig freundschaftlich die Arme um die Schultern gelegt, lachten und rauchten Marihuana.  - Hubert Selby, Letzte Ausfahrt Brooklyn. Reinbek bei Hamburg 1989
 
 

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