piegelwelt   Der Hinterbliebene, der wegen des geliebten Toten die Welt und die Gesellschaft der Lebenden verläßt, kommt außer mit den Verstorbenen auch mit anderen Toten in Kontakt. Schon bei der Ankunft stellt er fest, daß sein Aufenthalt unter den Toten diesen sehr unangenehm ist. Sie sind entweder aggressiv oder scheu und halten sich von dem Lebenden fern. Nur ausnahmsweise sind sie freundlich. Manchmal wird erwähnt, was die Toten an den Lebenden stört bzw. stören könnte. Der Fährmann der Araukaner beklagt sich wegen des üblen Geruchs des Mannes und wäscht ihn. Ein anderer soll eine bestimmte Frucht essen, damit er den Geruch nach Lebenden verliert. Hier wird deutlich, daß die Welt der Toten eine Spiegelwelt ist. Tote riechen auf der Erde für die Lebenden übel, im Totenreich ist es umgekehrt. - Hans-Jürg Braun, Das Jenseits - Die Vorstellungen der Menschheit über das Leben nach dem Tod. Frankfurt am Main 2000 (it 2616, zuerst 1996)

Spiegelwelt (2)  Hatchjaw merkt (von Bassett jedoch nicht bestätigt) an, daß de Selby die gesamten zehn Jahre hindurch, die die Abfassung von The Country Album in Anspruch nahm, von Spiegeln besessen gewesen sei und sich ihrer dermaßen häufig bedient habe, daß er behauptete, zwei linke Hände zu haben und in einer Welt zu leben, die despotisch von einem hölzernen Rahmen eingeengt sei. Im Laufe der Zeit weigerte er sich, den direkten Anblick wovon auch immer zu dulden, und er benutzte einen kleinen Spiegel, welcher ständig mit Hilfe einer Drahtkonstruktion eigener Fabrikation vor seinen Augen hing. Nachdem er zu dieser phantastischen Anordnung Zuflucht genommen hatte, pflegte er sich mit Besuchern zu besprechen, indem er ihnen den Rücken zuwandte und den Kopf zur Zimmerdecke reckte; man schreibt ihm sogar zu, er habe lange Spaziergänge rückwärts auf belebten Durchgangsstraßen unternommen. Hatchjaw behauptet, diese Aussage sei dadurch abgesichert, daß das Manuskript von etwa 500 Seitendes Album rückwärts geschrieben sei, »ein Umstand, der die Anwendung des Spiegel-Prinzips selbst auf der Bank des bedauernswerten Schriftsetzers notig machte«. (De Selby's Life and Times, S. 221) Das betreffende Manuskript ist zur Zeit nicht aufzufinden.  - (obr)

Spiegelwelt (3) Einst vor langer Zeit, so sagt die Legende, waren die Spiegelwelt und die Menschenwelt noch nicht getrennt. Damals waren Spiegelwesen und Menschenwesen nach Form und Farbe ganz verschieden voneinander, vermengten sich und lebten doch harmonisch zusammen. Zu jener Zeit konnte man auch durch die Spiegel hindurch kommen und gehen. Eines Nachts jedoch drangen die Spiegelwesen ohne Warnung in unsere Welt ein, und es brach Chaos herein. Die Menschenwesen stellten schnell fest, daß die Spiegelwesen das Chaos selbst darstellten. Die Macht der Eindringlinge war groß. Dank der magischen Fähigkeiten des Gelben Kaisers gelang es, sie zu besiegen und in ihre Spiegel zurückzutreiben. Um sie dort festzuhalten, zwang der Kaiser die chaotischen Wesen durch einen Zauber, Handlungen und Aussehen der Menschen mechanisch nachzuahmen. Des Kaisers Zauber war stark, aber, so sagt die Legende, er konnte nicht ewig währen. Eines Tages wird der Zauber so schwach werden, daß sich in unserem Spiegel turbulente Gestalten zu regen beginnen. Zunächst wird der Unterschied zwischen den Spiegelbildern und unseren gewöhnlichen Gestalten unmerklich sein. Aber nach und nach werden die Gesten ganz allmählich abzuweichen beginnen, Farben und Formen sich wandeln. Und plötzlich wird die lange eingekerkerte Welt des Chaos in unsere eigene Welt hinein überkochen.

Ist sie etwa schon da? - John Briggs und F. David Peat, Die Entdeckung des Chaos. München 1990 (zuerst 1989)

 

Spiegel Welten

 

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