Sphinktergott  Zuweilen erhebt sich über den Sumpf ein Wind, nicht stark aber beharrlich, und der ganze Sumpf ist in Dämpfe und Miasmen getaucht; ein unvergleichlicher Pesthauch fasziniert und erregt mich. Ja, dieser Pesthauch ist mir klar, deutlich, verständlich; aber in diesem Augenblick frage ich mich, ob der Sumpf, diese ganze große wäßrige Heimat, die ich liebe, nichts weiter als Ausscheidung, Kot, Exkrement ist; aber Exkrement vom wem und von was und wie? Doch nein, sage ich mir, nichts weiter als Exkrement, als Kot, an Stelle des Universums, des diarrhöischen Universums, ohne daß ein Sphinkter existiert, aus dem er herausfällt? Nein? Keinerlei Sphinkter? Und wenn nun der Sphinkter einer jener Götter wäre, von denen so viel die Rede ist? Oh nein, ich meine nicht den Sphinkter eines Gottes, sondern daß der Sphinkter selbst ein Gott und das Universum seine Ausscheidung ist, aber jenseits dieses Sphinkters ist natürlich gar nichts, kein After, kein Darm, weshalb die Fäkalien, die wir Universum nennen, und die ich sehe und betrachte, wirklich aus dem Nichts geboren sind. Ist es nicht so?

Eine schmutzige Fröhlichkeit erfaßt mich, wenn ich den Sumpf in Gestalt eines Exkrements betrachte, fast als hätte ich endlich einen so hohen Grad von Intimität mit dem Sumpf erreicht, daß ich ihn beleidigen könnte und ihn »Scheiße« nennen, so als würden wir auf diese Weise eindeutig Brüder, Gefährten, Liebende. Der Sumpf entfaltet sich wie aus einer koprolalischen Rede geboren, und ich betrachte ihn ohne Furcht, ohne Verehrung und ohne Hoffnung, wie etwas, das mir ähnlich ist, denn wenn ihn ein Sphinktergott gezeugt hat, muß ich dann nicht auf die gleiche Weise gezeugt worden sein, werde ich dann nicht endlich meiner exkremen-talen Natur zurückgegeben, aber als Exkrement aus göttlichem After, herausgetreten aus dem Nichts?    - Giorgio Manganelli, Der endgültige Sumpf. Berlin 1993(zuerst 1991)
 
 

Sphinkter Götter

 

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