der speichel ist das nasse im mund |
- Ernst Jandl, Idyllen. Darmstadt 1989
Speichel (2) »Merika ist sicher
das beste für Ihren Paps«, bemerkte er, »besonders, wenn er Ärger mit den guten,
alten Zähnen hat.
Es gibt kaum eine Krankheit, die
nicht mit der Zusammensetzung des Speichels zu tun hätte.«
»Ja«, sagte ich. Ich war entschlossen, so wenig wie möglich zu sagen. Erst sollten diese ungewöhnlichen Polizisten ihre Karten aufdecken. Danach würde ich wissen, wie mit ihnen zu verfahren war.
»Denn ein Mensch kann in seinem Speichel mehr Unrat und Krankheitskeime beherbergen als eine Ratte in ihrem Fell. Die Bevölkerung von Merika dagegen besitzt Zähne wie Rasierschaum oder Delfter Porzellan an einer frischen Bruchstelle.«
»Sehr wahr«, sagte ich.
»Oder wie Eier unter einer schwarzen Krähe.«
»Wie Eier«, sagte ich.
»Haben Sie auf Ihren Reisen je ein Lichtspielhaus besucht?«
»Nie«, antwortete ich beschämt, »aber ich vermute, es handelt sich um einen finsteren Saal, in dem es außer den Bildern an der Wand nichts zu sehen gibt.«
»Nun, dort bekommt man die prächtigen Zähne zu sehen, die in Merika die Regel
sind.« - (obr)
Speichel (3) Eine Kraft, den Speichel, nimmt die Seele im Menschen vom Wasser; denn das Wasser benetzt die Vernunft,
so daß sie sprechen kann, und richtet sie dazu her, so wie Saiten durch
Wachs oder Harz geschmeidige werden, so daß sie einen schönen Ton
bekommen. Der Speichel wäre rein und klar, wenn die Seele
nicht feurig wäre; so aber ist der Speichel gleichsam der Schaum vom
Feuer der Seele, gleichwie das Wasser infolge von Feuer- und Sonnenhitze
Schaum auswirft. Und weil die Seele feurig ist, so hat sie auch Wasser
in sich; die Fenster der Seele sind nämlich die Augen, und die haben
Feuer und Wasser. Und jegliche Feuchtigkeit, die im Menschen ist, ist
wasserhaltig und strebt zum Wege der Vernunft, auf daß die Vernunft im
Menschen Laut geben könne. Die Seele leitet aus dem Gehirne und den Eingeweiden
Wasser in den Speichel, auf daß der Mensch sprechen könne; denn der
Mensch vermöchte keinen Ton zu geben und nicht ein Wort zu bilden, hätte
er keine Feuchtigkeit in sich; er wäre dann ja trocken, und so ist der Speichel wie eine gute Salbe;
denn wie die Salbe die Gesundheit herbeiruft, so hält auch der Speiche!
im Menschen Gesicht, Gehör, Geruch, Stimme und alles was zur Gesundheit
nützlich ist und bringt es hervor ... - (bin)
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