Sonettendichter  Rainer Mersjohann war ein Dichter. Er war das junge Genie, das jedes Schulmilieu braucht, um die Masse der Lernenden mit diesem Beispiel zu plagen. Der auf höchste Reinheitsgebote eingeschworene Professor B. hatte im Seminar die makellosen Sonette des zwanzigjährigen Mersjohann aus Literaturzeitschriften vorgelesen. Verzückt und vorwurfsvoll. Warum macht ihr nicht alle solche Sonette! Mersjohann war natürlich auch jünger gewesen als alle anderen. Das gehört immer dazu zum Genie, daß es etwas unbegreiflich früh kann. Den durch die Nase gesprochenen Ton hörte Halm am Telephon nicht. Offenbar machte Mersjohann jetzt den Mund auf beim Sprechen. Damals hatte er nur das mittlere Drittel seines Mundes aufmachen können, Mersjohanns Mund schien von den Mundwinkeln her zugewachsen oder zugenäht zu sein. Wer ihn nicht mochte, dem ging er auf die Nerven. Halm mochte ihn. Mit sanft kippenden, sanft fächelnden und schön kreisenden Händen hatte Mersjohann ausgeglichen, was seinem Mund an Bewegung verboten war.  - Martin Walser, Brandung. Frankfurt am Main 1987
 

Sonett Dichter

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