kulptur Eine Praxis, die überhaupt erst durch das Vorhandensein von Fontanellen und Nähten ermöglicht wird, ist die künstliche Verformung des kindlichen Schädels bei Naturvölkern und in vergangenen Zivilisationen. Die Gründe sind meist rituelle, aber auch Moderegeln und Schönheitsvorstellungen spielen eine Rolle. Anzutreffen war die Schädeldeformation einst in allen Weltgegenden, auch im frühgeschichtlichen Europa. Angeblich gibt es sie in einigen Regionen Frankreichs, in der Bretagne, der Normandie und im Tal der Garonne in der Nähe von Toulouse noch heute, besonders in der Behandlung neugeborener Mädchen. Es versteht sich, daß mit diesem krassen Brauch unverzüglich nach der Geburt begonnen werden muß, solange die Deck- und Belegknochen noch plastisch, die Nähte noch offen sind. Das Prinzip ist dabei immer dasselbe: Oberflächenvergrößerung des Kopfes bei gleichbleibendem Volumen, nur die Methode wechselt je nach gewünschter Fasson. Soll es sich um eine fronto-okzipitale Schädelvariante handeln, reicht ein kleines Brett vor der Stirn, das mit Binden oder Schüren fixiert wird, zumeist in Verbindung mit einer anderen Holzplatte im Nacken. Der so entstehende charakteristische Großschädel war schon zu Hippokrates' und Plinius' Zeiten bekannt. Beide Autoren erwähnen den brachyzephalen Makrozephalus als letzten Modeschrei bei den vornehmeren Persern. Auch im Mittleren Reich Altägyptens waren die künstlich langgezogenen Schädel, besonders bei Prinzessinnen und Dienerinnen des Hofstaats, beliebt, wie Statuen aus den Pharaonengräbern und Wandbilder zeigen. Eine andere Variante ist die parieto-okzipitale Kopfform, hervorgezaubert, indem man den Säuglingskopf zwischen eine Platte über dem Scheitel und eine parallel dazu sitzende Nackenplatte spannt.
Der Schädel wird dann weniger
bienenkorbartig nach oben wachsen, als vielmehr beulen- oder kegelförmig nach
hinten, wie ein indianisches Fundstück aus der Gegend des Tacarigua-Sees in
Venezuela zeigt. Berühmt geworden durch ihre stammestypischen Flachschädel sind
die Flatheads, Indianer der Hochebene des östlichen Montana. Auch die Olmeken,
Gründervolk aller mittelamerikanischen Kulturen und Vorläufer der Mayas, kannten
die Behandlung ihrer Kinder mit Kopfbandagen, so wie sie noch heute vom Stamm
der Mbotgote auf den Neuen Hebriden vor Australien praktiziert wird. Wie Tätowierung
und Schädelkult, Narbenschmuck und Lippenpflock zieht sich die rituelle exogene
Verformung des Kopfes durch die ganze Kulturgeschichte der Menschheit, von Grönland
bis Patagonien. Anders als das moderne facelifting mit seiner bloßen Oberhautkorrektur
betrifft sie den härtesten Teil des menschlichen Körpers, den Knochenschädel,
und das Ergebnis ist eine dauerhafte Skulptur. Manche Völker haben eigens spezielle
Deformationsapparate zum Einschnüren, Abplatten und Modellieren des Schädels
entwickelt. Um die erstaunliche Birnenform zu erzielen, wie sie bei einigen
Eskimos üblich war, hatte es sicher eines ausgeklügelten Gestells bedurft. Waruni
solche elterlichen Schönheitsoperationen an Kindern in Europa später verschwanden,
bleibt ein Epochengeheimnis. Wahrscheinlich hatte es mit dem Heraufkommen verschiedener
Substitute wie Helme, Perücken, Kopfputze aller Art zu tun, die je nach Saison
gewechselt werden konnten und der Gesamterscheinung zwanglos hinzugefügt wurden.
Eine mehr unauffällige Manipulation, wie sie bis heute gang und gäbe ist, behaupten
einige Autoren gefunden zu haben. Nicht ganz auszuschließen sei, daß die in
verschiedenen Landstrichen üblichen weichen und harten Kopfkissen im Kinderbett
für Änderungen der Schädelform maßgeblich sind. -
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gr
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Skulptur (2)
Skulptur (3)
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