itzenbleiben Sie
standen in einem absonderlich verzwickten Verhältnis zur Welt: Als ob
es nur ihre Spiegelbilder wären, die sich darboten,
währenddem das leibhaftige Frauenwesen, den Zuschauer
spielend, sich im Hindergrund und im Schatten hielt. Dieses leibhafte Wesen
ließ sich keine Bewegung des Liebhabers entgehen, der ihrem Scheinbild
den Hof machte, und es mußte selbst bei dem Gedanken an das Aussichtslose solcher
Liebe lachen, wenn es ans Ernstmachen käme, und das Herz wurde ihr immer härter
dabei. Ob es wohl ihr geheimer Wunsch war, der Liebende möge den verwünschten
Spiegel samt dem hübschen Scheinbild darin in Stücke schlagen, um zu dem Urbild
selbst zu kommen? Sie wußte wohl: Das würde doch keiner tun. Vielleicht auch
hatten die hübschen Schwestern ein wunderliches Vergnügen an der Verehrung,
die ihren Spiegelbildern zuteil wurde. Schließlich mochten sie es nicht mehr
missen. Da es denn so wunderlich um sie bestellt war, war es klar, daß sie sitzenbleiben
würden. Jetzt, da sie mit ihren zweiundfünfzig und dreiundfünfzig Jahren wirklich
sitzengeblieben waren, schienen sie auch besser mit dem Leben fertig zu werden,
wie man etwas aushält, das bald zu Ende sein wird. - (
blix
)
Sitzenbleiben
(2) Christiane dreht sich um, gerade als der hellblaue
Käfer wendet, um auf eurer Seite zu halten, sie dreht sich um und küsst
dich, sie küsst.dich auf den Mund, und dann dreht sie sich zurück in Richtung
Käfer, in dem das Licht angeht, weil der Fahrer die Beifahrertür zu eurer Seite
aufmacht, aber anstatt einzusteigen dreht sie sich noch einmal zu dir um und
küsst dich noch mal auf den Mund, und dann erst steigt sie ein, zieht die Tür
zu, und der Käfer fährt in dieselbe Richtung, aus der er gekommen ist, während
du, obwohl es unmöglich ist, dich versuchst zu erinnern, ob du das Gesicht des
Fahrers gesehen hast, anstatt dich an die beiden Küsse zu erinnern, die du runterspielst,
weil du sie nicht richtig begreifen kannst, und als würde das Gesicht des Fahrers
überhaupt eine Rolle spielen, versuchst du es dir zu konstruieren, irgendjemand,
eben nicht aus der Schule, nicht einer der Oberstufler, sondern vielleicht jemand
vom Tennisplatz im Henkellpark, an dem du manchmal vorbeigehst, und dann merkst
du, wie blöd die Gedanken sind, weil dir die beiden Küsse wieder einfallen,
und dann überlegst du, warum Christiane dich geküsst hat, ausgerechnet als der
Typ schon da war, und du überlegst, was das zu bedeuten hat und ob sie dir zeigen
wollte, wie wenig du ihr bedeutest, weil du noch ein Kind bist, das man einfach
küssen kann und auf das der Typ im hellblauen Käfer niemals eifersüchtig sein
wird, und weil du wirklich noch ein Kind bist, denkst du immer so weiter, und
dann mal in die andere Richtung, dass sie dem Typ im hellblauen Käfer was beweisen
wollte, und kommst nicht drauf, worum es wirklich ging in dem Moment, dass sie
dich nur in dem Moment küssen konnte, weil der Moment damit vorbei war, weil
dem Moment nichts folgen konnte von dir, obwohl du natürlich nie etwas hättest
folgen lassen, sondern nur dagestanden wärst, auch wenn sie dich fünf Minuten
früher geküsst hätte, als der hellblaue Käfer noch nicht in Sicht war, aber
darauf kommst du nicht, während du nicht die Gabelsborner runtergehst, sondern
untenrum durch die Schrebergärten, und siehst, wie über der Wiese am Bach ein
paar Nebelfetzen über den eingefallenen Rhabarberblättern hängen, und denkst,
wie dramatisch immer alles bei den Mädchen ist, die zusammen aufs Klo gehen
und denen oft schwindlig oder schlecht ist, was du alles nicht verstehst, während
du jetzt deine letzte Revat anzündest und denkst, dass du einfach noch die Wochen
bis zum Sommer überstehen musst, danach bist du ohnehin weg von alldem, dann
bist du eine Klasse tiefer und die Mädchen dort die Kinder, und wenn du Christiane
auf dem Schulhof siehst, dann schaust du einfach weg, obwohl, als es dann so
weit ist und dir Schmidt-Ery auch noch eine 5 reinhaut, damit du auch nicht
zur Nachprüfung zugelassen werden kannst, da ist es schon ein seltsames Gefühl,
die letzten Tage mit den anderen in der Klasse zu sitzen, morgens reinzukommen
und mittags rauszugehen, immer mit dem Gefühl, dass das bald ein für allemal
vorbei ist. - (raf)
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