ittlichkeitsdelikt    Ein  Sittlichkeitsdelikt steht  zur Verhandlung. Es sind  da zwei kleine Mädchen von dreizehn bis vierzehn Jahren, mit Augen wie glühende Kohlen; die wiegen sich und reiben sich an den Bänken mit tierischer Laszivität. Sie sagen über den »Schimpf aus, den man ihnen angetan habe«, und zwar mit einer Geläufigkeit, einer Treffsicherheit in den Ausdrücken, die wahrhaft monströs sind. Der Beschuldigte ist ein dicker Mann, der vor Ungeduld ständig unterbrechen will. Schultern wie ein Ochse. Ständig will er »seine Meinung über die Gesichtspunkte« sagen, und seine Erregung verrät sich dadurch, daß er mehr und mehr unter den Achseln in seine Bluse schwitzt. Alle Augenblick springt er auf und zappelt hinter dem Rücken mit seinen beiden dicken Goliath-Händen. Die Zeugen sagen aus, machen klebrige, schleimige Aussagen, die der Präsident unmöglich zu präzisieren vermag, ein einziger Wirrwarr.

Dabei geht alles sehr familiär zu. Bei einer Unterbrechung der Verhandlung tritt einer zum anderen. Der Amtsdiener bietet dem Beschuldigten eine Prise an; die Zeugen, der Brigadier von der Gendarmerie, das Publikum und der Gerichtsschreiber füllen den Raum vor dem Richtertisch und vermengen sich zu einer Gruppe. Der Advokat disputiert mit dem Brigadier über eine Skizze des Tatorts; der Angeklagte korrigiert die Skizze.

Die Zeugen verheddern sich weiter, jeder gibt eignes hinzu; und wir wissen nicht, was vor sich geht, denn es ist schon sechs Uhr, und der Advokat, ein verschlagener Verteidiger, beginnt mit seiner ziemlich intelligenten Verteidigungsrede, an deren Anfang er ein erschreckendes Bild von der Demoralisierung in den Dörfern entwirft; die Kolporteure kolportierten Obszönitäten, und die kleinen Mädchen täten sich manchmal zu zweit oder dritt zusammen, um sie zu kaufen, so daß ihnen — wie im vorliegenden Fall - der de Sade wie nichts über die Lippen käme. - (gon)

Sittlichkeitsdelikt (2)  Der Bürgermeister fragte: »Was ist, Vater Hochedur?«

Der Flurwächter machte seine Meldung.

Er war morgens zur üblichen Stunde auf seine Tour um die Wälder von Champioux bis nach der Grenze von Argenteuil gegangen. Unterwegs hatte er weiter nichts Ungewöhnliches bemerkt, nur daß schön Wetter war und das Korn gut gedieh, als der Sohn von den Bredels, der seinen Weingarten hackte, ihm zurief:

»He, Vater Hochedur, gehen Sie mal nach dem Waldrand, ans erste Gebüsch, da finden Sie ein Turtelpärchen, das zusammen gut seine hundertdreißig Jahre hat.«

Er war in die bezeichnete Richtung gegangen, war in das Gesträuch eingedrungen und hatte Reden und Seufzen gehört, die ihn ein flagrantes Sittlichkeitsdelikt vermuten ließen.

Indem er nun auf Knien und Händen kroch, als wolle er einen Wilddieb stellen, hatte er das anwesende Paar erwischt, wie es sich seinen Instinkten hingab.

Der verdatterte Bürgermeister betrachtete die Schuldigen.

Der Mann war reichliche sechzig Jahre alt, die Frau wenigstens fünfundfünfzig.  - (nov)

 

Straftatbestand Sittlichkeit

 

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