ittenstrenge   Seine Unreinlichkeit war nicht zu übertreffen; er bildete sich noch etwas darauf ein: Die Tröpfe schlossen, er sei ein Mann von Einfachkeit. In seinem Bett quoll es über von Hunden und Hündinnen, die es miteinander trieben und neben ihm ihre Jungen warfen. Er selbst erlegte sich niemals den kleinsten Zwang auf. Eine seiner Behauptungen lautete, daß alle Welt dieselben Gewohnheiten habe, jedoch nicht die Courage wie er, sich damit einverstanden zu erklären; eines schönen Tages verfocht er diese Ansicht sogar vor der Prinzessin von Conti, die das akkurateste und geschmackvollste Wesen der Welt war. Er stand, wenn er bei der Armee weilte, spät auf, ließ sich auf dem Nachtstuhl nieder, diktierte von dort aus seine Korrespondenz und gab seine Tagesbefehle aus. Für jeden, der mit ihm zu schaffen hatte, das heißt die Stabsoffiziere und hochgestellte Persönlichkeiten, war dies die Zeit, mit ihm zu sprechen. An diese Schande hatte er die Armee gewöhnt. Ebendort frühstückte er üppig, oft mit zwei oder drei seiner Intimi, gab ebenso üppig wieder von sich, mochte das mitten im Essen, Zuhören, Befehl-Erteilen geschehen. Man muß durch diese beschämenden Einzelheiten hindurch, um ihn gründlich kennenzulernen. Er entleerte sich tüchtig; war das Becken zum Überlaufen voll, zog man es unter ihm weg, trug es zum Ausschütten unter den Nasen aller Anwesenden hinaus, und dies oft mehr als einmal. An den Tagen, an denen rasiert wurde, diente dasselbe Becken, in das er sich soeben erleichtert hatte, als Rasierschüssel. Das war, seiner Meinung nach, eine Sittenstrenge, die der alten Römer würdig wäre und die den ganzen Pomp und Luxus anderer aburteilte.  - Herzog von Saint-Simon, Memoiren. Übs. Hans Pleschinski, in: Der Rabe 15, Zürich 1986 (zuerst ca. 1750)
 
 

Strenge

 

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