Sich zurechtmachen  Als ich zurück zur Nische kam, quasselten Michelle und Belle miteinander wie alte Kumpel. Michelle hatte Belles Gesicht in der Hand, drehte es im Licht hin und her. Das große Mädchen schien's nicht zu stören. Ich setzte mich hin, zündete mir eine weitere Kippe an, hörte Michelles Sermon zu.

»Du mußt den Eyeliner von der Mitte umziehen, Süße. Trenn die Augen. Und hier nehmen wir einen scharfen Strich« - zog den Fingernagel über Belles Jochbein - »zur Betonung. Kommst du soweit mit?«

Belle nickte eifrig, versuchte nicht zu reden, solange Michelle ihr Gesicht im Griff hatte.

»Nun zum Mund... wir benutzen einen Pinsel, ja? Wir ziehen einen dünnen Strich genau um die Lippen, dann füllen wir das Ganze mit einem hübschen Dunkelton aus. Verbreitern den Mund ein bißchen. Dann nehmen wir... Oh, komm schon«, sagte Michelle, stand auf und zog Belle an der Hand mit sich. »Wir sind in 'ner Minute zurück«, sagte sie zu mir.

Ich ignorierte sie. Ich wußte, was bei Michelle eine Minute hieß. Ich wußte, was es hieß, wenn sich der Prof nicht meldete.

Es dauerte zwei Ginger-Ales und ein halbes Dutzend Zigaretten, bis sie wieder aus der Damentoilette kamen. Michelle führte Belle noch immer an der Hand. Beide setzten sich mir gegenüber. Ich mußte zweimal hinschauen. Beiles weiches Gesicht war schärfer, anders. Ihre Augen wirkten auseinandergerückt, größer. Ihre Wangenknochen stachen vor, ihr winziger Mund war großzügiger. Und ihr Haar war zur einen Seite rübergezogen und mit Michelles Schal festgebunden.

»Du siehst wunderschön aus«, sagte ich.

»Magst du's wirklich?« fragte sie.

»Süße, steh dazu, du bist ein Verkehrshindernis«, sagte ihr Michelle. »Alles, was es dazu braucht, ist ein bißchen Arbeit.«   - Andrew Vachss, Bluebelle. Berlin und Frankfurt am Main 1991

Sich zurechtmachen (2)

- Leigh Bowery

Sich zurechtmachen (3) Als Dolli, die zärtliche, einen Abwesenheitstag der Eltern benutzte, um sich erstmals von oben bis unten herzurichten - sie trug eine viel zu dicke exotische niegebrauchtc Schminke ihrer Mutter auf und riesige Sternaugen und Kußlippen, zog ein vor Ungebrauch brüchig gewordenes olivgrünes Reizhöschen ihrer Mutter an und selbst gekaufte schwarze Netzstrümpfe, rauchte eine lange pastellblaue Zigarette aus einem fürchterlich langen Perlmuttspitz der zwanziger Jahre (Eigentümerin mußte einmal die kuriose Halbtante Sousou gewesen sein) und bleichte mit Peroxyd eine reizende Locke in ihr maulwurfbraunes Haar, das sie dann vandalisch mit einem kaum angebrochenen Hochzeitstagparfüm ihrer Mütter begoß -, war dies ein wahnsinniges Erlebnis der eigenen Schönheit. Sie mußte sich immer wieder vor dem lebensgroßen schlafzimmerlichen Wackelspiegel, der nie elterlichen Vergnügungen diente, herumdrehen, um dieses Bild, das sich so sehr mit dem üblichen begehrten Bild von verführerischem Glamour deckte, mit Dolli und Wirklichkeit zu identifizieren. Es war wie ein „Jetzt kann ich singen!" oder „Jetzt kann ich skifahren!", Marschallstäbe im Tornister schon für die Scala oder Garmisch-Partenkirchen.

Sie feierte sich einen Nachmittag lang, mit Platten und vorsichtig in den Mund geschobenen Fondantbonbons, und war die süße Frau eines Burschen, den sie noch nicht kannte, denn die sie kannte, waren riesig dumme oder fade Rüpel, die so eine Dolli um nichts in der Welt verdienten. Dolli, hauchte sie zärtlich den Spiegel an, er wurde dort trüb, dann käferte sie sich ins Bett und strampelte, in stimmenden, weichen Gefühlen.

O ja, sie würde von jetzt an öfters so ausgehen, unbedingt, da konnte ihr die Mutter noch so den Kopf abreißen. Das heißt, etwas mehr anziehen würde sie schon müssen. Aber zuhause dann - sie wußte jetzt zu schätzen, welchen Schatz an Körper sie in Liebe zu vergeben hatte. Ihr war sehr leer, weil keine Liebe da war. Wie nach manchen Filmen oder wenn eine Platte, die solches hinschmolz, auswar.

Sie ärgerte sich über die Zeitungstanten, die immer schrieben, man dürfe das Bett, auch das Liebesbett, immer nur gründlich abgeschminkt und eingeschmalzt betreten, man dürfe im Bett nicht rauchen oder Süßigkeiten naschen, und aus den Armen des Mannes müsse man sogleich einen Salto zum Spülbecken machen. Walter, der zärtliche, schlief, als sie zurückkam, schon mit Bartbinde, Schnarcheinlage, war schon mit der Börsenzeitung zugedeckt, lag schon in einem anderen Land als dem der viertelwüchsigen Liebe.   - (met)

Sich zurechtmachen (4)

- N. N.

 

Frau

 

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